Nutzer und Nutzungsmotive virtueller Welten – Gastbeitrag

Die zahlreichen virtuellen Welten im Lande buhlen um die unterschiedlichsten Zielgruppen. Mirko Caspar von der virtuellen Welt Twinity (www.twinity.com) und Sebastian Funke von der 3D-Welt sMeet (www.smeet.com) beleuchten in einem Gastbeitrag für deutsche […]

Die zahlreichen virtuellen Welten im Lande buhlen um die unterschiedlichsten Zielgruppen. Mirko Caspar von der virtuellen Welt Twinity (www.twinity.com) und Sebastian Funke von der 3D-Welt sMeet (www.smeet.com) beleuchten in einem Gastbeitrag für deutsche start-ups.de Nutzer und Nutzungsmotive virtueller Welten.

Wie bereits im vorangegangenen Artikel erwähnt, machen virtuelle Welten für Jedermann – ob als Nutzer oder Geschäftsmann – das Internet zu einem interaktiven Treffpunkt. Es nutzen weltweit 350 Millionen Menschen virtuelle Welten. Davon allein 52 Millionen Unique User monatlich. Die Zahlen belegen: Virtuelle Welten sind zu einem Massenphänomen geworden. Zwei Trends haben den Weg geebnet für neue Kommunikationsformen und für eine neue Generation virtueller Welten im Internet: Auf der einen Seite Blogs, Wikis, YouTube, MySpace und Schüler-/StudiVZ – also all das, was wir unter dem Schlagwort Web 2.0 kennen. Auf der anderen Seite 3D-Games – besonders die Online Spielewelten oder Massively Multiplayer Online Games (MMOGS). Aus diesen Erfolgsrezepten entstehen nun neue Kommunikationsplattformen in 3D.

Eine Voraussetzung für virtuelle Welten ist mit der nahezu flächendeckenden Verbreitung des Web und der großen Bandbreite der Datenleitungen heute gegeben. Eine der bedeutendsten virtuellen Welten, Second Life, erlebte in den letzten Jahren ein exponentielles Wachstum, wurde von den Medien zunächst gefeiert und dann geschmäht und ist nun, von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, ein echtes Erfolgsmodell.

Treffpunkt virtuelle Welt

Egal ob Kinderwelt (Club Penguin, Barbie World), Teen- und Chatwelten (Smeet, Habbo Hotel, IMVU), nutzergenerierte Welten (Second Life) oder Spiegelwelten, die das echte Leben abbilden (Twinity) – das Grundprinzip der virtuellen Welten ist einfach: User kreieren ihren eigenen Avatar – quasi einen Stellvertreter des Users während des Aufenthaltes in der virtuellen Welt. Fast alle Welten bieten zudem ein eigenes virtuelles Zuhause. Mit Avatar und eigener 3D Wohnung haben die Nutzer Projektions- und Selbstdarstellungsmöglichkeiten, die weit über die Profile zweidimensionaler Communities hinausgehen. Da man gemeinsam online ist und die Gegenwart der anderen Nutzer „spürt“, sind die Plattformen ideal, um sich mit Freunden und neuen Leuten zu treffen, sich zu unterhalten und dann gemeinsam etwas zu erleben. Was es zu erleben gibt, richtet sich nach der jeweiligen Ausrichtung der Welt – Spiel, Sport, Arbeit, Kultur, Lernen, virtuelle Städtereisen, Flirt, Networking – alles ist möglich. Bei virtuellen Welten fällt auf, dass die Teilnehmer buchstäblich in ihre neue Umgebung „eintauchen“. Oft spricht man hier auch von „Immersion“. Eine Marktstudie von Forrester Consulting aus dem September 2008 stellt dieses Merkmal in den Vordergrund: Alle befragten Firmen, darunter MTV Networks und Sony Computer Entertainment, zeigten sich beeindruckt von dem Grad der Vertiefung des Users in die virtuelle Welt. An oberster Stelle steht immer die Face-to-Face-Kommunikation, das Gespräch zwischen Menschen, die sich gegenüber stehen. Jedoch folgt darauf hinsichtlich Intensität des Erlebnisses aber gleich die Begegnung in der virtuellen 3D-Welt. Andere Kommunikationsformen wie Chat oder Telefonat erreichen nicht dasselbe „Eintauchen“ des Individuums, das seine virtuellen Erlebnisse als real empfindet. Und damit rückt die Begegnung in der virtuellen Welt ganz nah an die Erlebnisse einer wirklichen Begegnung.

Who is who in der virtuellen Welt

Welcher Menschentyp lässt sich auf das Erlebnis in der virtuellen Welt ein? Zurzeit nutzen in der Mehrzahl junge Menschen virtuelle Welten – etwa in Plätzen wie Club Penguin, Habbo Hotel, Smeet und anderen. Der Großteil der Jugendlichen ist in Spielewelten zu finden – sogenannten MMOGs und MMORGs wie z.B. World of Warcraft – die einen starken Zulauf verzeichnen. In den spaßorientierten Spielewelten (z.B. Smeet) sind aber durchaus auch ältere Nutzer zu finden. In den virtuellen Welten, die auch Informations- und Bildungsthemen abbilden, nimmt der Anteil älterer User stark zu (z.B. in Twinity). Von Inhalten angelockt werden zudem die semiprofessionellen User, die teilweise aus beruflichem Interesse in virtuelle Welten eintauchen – Journalisten, Marketingspezialisten, Entwicklungsingenieure, Mediziner, Risikoanalysten, Architekten, Lehrpersonal und andere. Beim Blick auf die Altersverteilung wird klar: Virtuelle Welten und 3D-Darstellung sind stark im Kommen – spätestens wenn die Millionen Kids und Teens, die mit virtuellen Welten aufwachsen, älter werden.

Nutzungsmotive

Was erwarten Menschen von virtuellen Welten? Die vielfältigen Nutzungsmotive lassen sich in folgende Bereiche aufgliedern:

Sozialisation in der virtuellen Welt: In einer 3D-Welt spielen sich natürliche Sozialisationsprozesse ab. Ein dreidimensional gestalteter Avatar vermittelt eine hohe Präsenz, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entwickeln ein besseres Gefühl für die Gesprächssituation, als es bei einem bloßen Chat der Fall ist. Es gibt in dieser Welt nicht nur Smileys sondern auch Körpersprache: Der Avatar hält den Daumen hoch, lacht, tanzt, zuckt mit den Schultern, setzt seine Mimik ein, verdeutlicht so Stimmungen und Gefühle. Wenn Avatare miteinander reden, geschieht dies mit Text-Chat oder VoIP-Sprach-Chat über Headset oder Telefon. Die Kommunikationsmöglichkeiten sind also vielfältig. Die Hemmschwellen für Menschen in einer virtuellen Welt sind niedrig, anders als in realen Situationen, wie z.B. in einer Kneipe, kommen die Teilnehmer viel leichter ins Gespräch und können sich leichter darstellen.

Gemeinsames Erleben: Das „gemeinsame Erleben“ steht bei den Nutzern im Vordergrund und diese Möglichkeit unterscheidet 3D-Welten signifikant vom 2D-Internet, in dem man letztlich allein am Computer sitzt und die Anwesenheit der anderen Teilnehmer nicht spüren kann. Das zeigen auch Umfragen über Online-Spiele. Wenn der höchste Level erreicht ist, kommt nicht einfach das nächste Spiel, der Clan oder die Spielergruppe bleibt zusammen und tummelt sich weiter in der Welt. Der Erfahrungsaustausch und das Bedürfnis, sich persönlich kennen zu lernen, sich weiterhin zu treffen und gemeinsam etwas zu unternehmen, wird zum eigentlichen Spielzweck.

Die Erlebnisse sind vielseitig, dazu gehören:
* Medienkonsum, etwa Musik und Videos
* Live Events wie Konzerte, Lesungen, Quizshows und mehr
* Clubs, Discos
* Casual Games, Quests

Im Vordergrund steht die Emotion, die User bei ihren Erlebnissen in der virtuellen Welt empfinden. Zumal das Erlebnis mit Menschen geteilt wird, die bildlich gesprochen über den ganzen Erdball verteilt sein können. Die internationale Ausrichtung der 3D-Welten gewährt auch, dass ein User während der 24 Stunden eines Tages nie allein in der virtuellen Welt ist. Die Biographien und Erlebnisse der einzelnen Teilnehmer von virtuellen Welten verschaffen das Gefühl, Teil des globalen Dorfes zu sein.

Information und Bildung: Im e-Learning, in der Aus- und Weiterbildung und im schulischen Lernen sind 3D-Umgebungen längst im Einsatz. Beispielsweise sind Online-Plattformen beim Sprachenlernen beliebt, weil die ansonsten isoliert lernenden Teilnehmer die Möglichkeit zum Austausch finden. Gemeinsam lernt es sich leichter – das gilt für alle Fachrichtungen.

Kreativität siegt: 3D-Welten sind dafür prädestiniert, den Einfallsreichtum und persönliche Vorlieben der User herauszufordern. Ein Foto oder ein kleines Video kann man auch im Blog oder in textbasierten Foren zeigen und austauschen. Dasselbe gilt für Musik oder Sounddateien. In der 3D-Welt kommt noch ein wichtiges Element hinzu: User gestalten die komplette 3D-Welt interaktiv mit. Sie beeinflussen den Look ihrer Avatare, richten ihre virtuellen Wohnungen oder Räume ein und bestimmen ihr eigenes Unterhaltungsprogramm.

In vielen 3D-Welten entwerfen die Nutzer sogar dreidimensionale Objekte. Die selbst gestylten Blumenvasen oder Möbelstücke laden sie eigenständig auf den Server der Plattform. Und auch der eigene Avatar wirkt durch Mimik und Gestik individuell, einzigartig. Ein Lächeln, ein Schulterzucken, ein verdutzter Blick – wer mag, kann seinem Avatar auch auf diesem Gebiet eine persönliche Note verleihen, die über die Auswahl der Kleidung hinausgeht. Die Selbstverwirklichungsmöglichkeit des Nutzers, Eigenkreationen einzubringen, wird hier um eine Dimension erweitert.

Geschäftstüchtigkeit erwünscht: Anshe Chung hat es in Second Life vorgemacht: Hinter dem Avatar steckt in Wirklichkeit Ailin Gräf, die einst in Hessen an der Volkshochschule Deutsch, Englisch und Chinesisch unterrichtete. Zunächst veränderte sie mit ihrem Mann, einem Informatiker, die Eigenschaften der Avatare und überließ diese gegen virtuelle Dollar auf einem virtuellen Konto in der Second Life-Welt anderen Usern. Sie kaufte Grundstücke und Häuser, entwarf neue Einrichtungen, verkaufte die Häuser danach etwas teurer. Der Trick: Die virtuellen Dollars kann man auch in echtes Geld wechseln. Mit den realen Dollars gründete sie im chinesischen Wuhan ein Unternehmen, das für Firmen virtuelle Niederlassungen in Second Life entwirft, beispielsweise auch für den amerikanischen TV-Sender NBC. Natürlich werden in den virtuellen Welten auch existierende Objekte und Güter dargestellt. Oft können sich Teilnehmer die Waren besser vorstellen, wenn sie im Kontext vorgeführt werden. Auch Dienstleistungen lassen sich online abbilden. Durch virtuelle Welten entstehen neue Märkte.

Fazit
Nach textlastigen Chat-Foren und dem Tausch von Bildern und Videos erobern nun 3D-Welten das Internet. Die direkte Ansprache durch Voice over IP-Technik, gepaart mit der Körpersprache, Mimik und Gestik des Avatars und der eigenen Gestaltung der 3D-Welt, machen diese Welten persönlich und erfahrbar. Auch das Werben und Monetarisieren wird in virtuellen Welten vereinfacht und vom User bedenkenlos angenommen.

Artikel zum Thema
* Virtuelle Welten – Konzepte, Zielgruppen und Monetarisierung

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.