Zielgruppe Zocker: Das lukrative E-Commerce-Geschäft mit dynamischen Artikelpreisen

Ohne Frage: Die Angebote klingen in der Tat verlockend. Eine originalverpackte Nintendo DS Lite für läppische zwanzig Euro. Oder ein neues Notebook von HP zu einem ähnlich unschlagbaren Dumping-Preis. Dazu zahlreiche weitere Produkte, […]
Zielgruppe Zocker: Das lukrative E-Commerce-Geschäft mit dynamischen Artikelpreisen
Montag, 29. März 2010VonStephan Meixner

Ohne Frage: Die Angebote klingen in der Tat verlockend. Eine originalverpackte Nintendo DS Lite für läppische zwanzig Euro. Oder ein neues Notebook von HP zu einem ähnlich unschlagbaren Dumping-Preis. Dazu zahlreiche weitere Produkte, die ebenfalls im unteren zweistelligen Euro-Bereich tagtäglich bei Swoopo (www.swoopo.de) über den virtuellen Ladentisch wandern. Und den Betreibern der Online-Auktionsplattform damit ein Freudestrahlen ins Gesicht zaubern dürften. Obwohl die niedrigen Gebotspreise eigentlich zuerst das Gegenteil vermuten lassen.

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Swoopo ist der zur Zeit wahrscheinlich prominenteste Vertreter unter rund einem halben Dutzend Shopping-Diensten in Deutschland, die mit einem etwas anderen Verkaufsansatz um die Gunst der Schnäppchenjäger buhlen. So erscheint Swoopo auf den ersten Blick lediglich wie ein weiteres Online-Auktionshaus, das mit eBay konkurrieren will. Beim genauen Hinsehen aber offenbaren sich Details, die das Swoopo-Prinzip von klassischen Online-Auktionen unterscheiden.

Bei Swoopo können Nutzer ausschließlich auf Neuware bieten. Wer an einer Aktion teilnehmen will, muss zudem so genannte „Bids“ auf die Artikel setzen. Ein solcher Bid kostet Kunden jeweils 50 Cent und erhöht beim Setzen den Preis eines Artikels um zehn Cent. Mit dem Einsatz eines Bieters steigt aber nicht nur der Gebotspreis. Auch die Auktionsdauer verlängert sich bei jedem „Bid“ um weitere zehn Sekunden. Es gibt also keine vorgegebene Gebotsdauer wie bei eBay. Erst wenn auf einen Artikel bei Swoopo gar kein weiteres Gebot eines anderen Interessenten mehr eingeht, erhält der letzte Bieter den Zuschlag und die Auktion wird beendet.

Swoopo: 2,5 Millionen Sparfüchse auf der Jagd nach Dumping-Preisen

Verlockend am Swoopo-Prinzip ist, dass Nutzer im Prinzip mit nur 50 Cent Einsatz bereits eine Auktion gewinnen können: wenn eben kein anderer mehr auf den Artikel bietet. Mit etwas Glück gibt es daher eine Spielekonsole von Nintendo oder einen iPod Touch bereits für einen Bruchteil des am Markt üblichen Normalpreises. Verlockende Aussichten, die alleine Swoopo aktuell nach eigenen Angaben bereits 2,5 Millionen Mitglieder beschert haben. Wenn auch nach einem Bericht von Spiegel Online nur etwa 700.000 davon wirklich aktiv sind und an den Aktionen teilnehmen.

Es wäre aber ohnehin ein Fehler, das Business-Modell von Swoopo ausschließlich anhand der Zahl der Mitglieder zu bewerten. Denn viel spannender ist, wie lukrativ sich prinzipiell jede einzelne Verkaufsauktion für die Portal-Betreiber erweisen kann. „Wenn ein iPod Touch bei Swoopo für 180 Euro den Besitzer wechselt, so haben Nutzer dafür insgesamt schon einmal 1.800 Gebote zu je 10 Cent investiert“, rechnete Gründerszene bereits im vergangenen Jahr vor. „Da Nutzer für ein 10-Cent-Gebot aber immer 50 Cent bezahlen, beläuft sich der von allen Nutzern bezahlte Preis schon auf 900 Euro.“ Wenn man nun noch die 180 Euro Verkaufspreis dazu addiert, die abschließend der Gewinner der Auktion für das Produkt zahlen muss, so verdient Swoopo an einem iPod Touch stolze 1.080 Euro. Nicht schlecht für ein Gerät, dass sonst nur ein Fünftel kostet.

Sicherlich ist die Beispielrechnung von Gründerszene ein wenig populistisch, da bei Swoopo auch viele Produkte für nur wenige Euro verkauft werden. Die Zahlen illustrieren dennoch anschaulich, was Investoren wie August Capital dazu veranlasst, auf einen Schlag schon einmal bis zu 7,5 Millionen Euro Wagniskapital in Anbieter wie Swoopo zu pumpen. In den Schlagzeilen ist Swoopo zudem immer wieder, weil sich die Geschäftsführer sich ständig die Klinke in die Hand geben: Erst Anfang Februar verließ Ralph Werner das Unternehmen – nach gerade einmal 8 Monaten. Für Verwirrung sorgt swoopo zudem mit immer neuen (für die Nutzer schlechteren) Konditionen bei der Option Direktkauf. Erst seit  wenigen Tagen bekommen die Nutzer nur noch “bis zu 25 %” ihrer Einsätze beim Kauf erstattet. Eigentlich sollte diese Funktion für mehr Vertrauen sorgen. Das lukrative Geschäft macht trotzdem klar, warum immer öfters andere Anbieter das Swoopo-Prinzip klonen und auf ähnliche Margen im E-Commerce spekulieren. Unser Partnerblog betabuzz schrieb dazu Ende des vergangenen Jahres: “Aber egal wie gleich oder unterschiedlich die Konzepte sind, einen Gewinner gibt es immer: Die Auktionsanbieter. Dank Gebotsgebühren können sie Markenartikel weit unter dem eigentlichen Marktpreis verkaufen und trotzdem komfortable Gewinne einfahren”.

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Mit Crazyhammer www.crazyhammer.de buhlt seit Juli 2009 ein weiteres Online-Auktionshaus um die Zielgruppe Zocker, dessen Shopping-Prinzip sich nur in Nuancen vom Swoopo-Verfahren unterscheidet. Gleiches gilt für Mitbewerber Dealstreet (www.dealstreet.de), hinter der Geldgeber Rocket Internet und damit der Samwer-Clan steckt (auch an deutsche-startups.de beteiligt). Bei Dealstreet ist zudem vor gut drei Monaten der französische Geldgeber Crédit Agricole Private Equity eingestiegen. „Entertainment-Shopping bietet große Wachstumsperspektiven“, argumentiert Christian Claussen, Senior Partner im Venture Capital Team. Noch glänzender aber wären diese Perspektiven wohl, wenn nicht immer wieder Ärger mit Verbraucherschützern drohen würde.

Verbraucherschützer warnen vor verdecktem Glücksspiel

„Diese Auktionen sind wie Glücksspiele“, mahnt beispielsweise die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Nachrichtenmagazin “Focus”. „Jeder Mitspieler muss damit rechnen, seinen gesamten Einsatz zu verlieren.“ Die Angebote seien daher „keinesfalls dazu geeignet, gezielt günstig einzukaufen“. Und tatsächlich kann es passieren, dass Konsumenten bei Swoopo, Dealstreet oder CrazyHammer Unsummen in Bids investieren und am Ende dennoch leer ausgehen: weil ein anderer Bieter eine Auktion gewinnt. Dazu geistert immer wieder der Vorwurf durch Blogs, dass einige Anbieter ihre Auktionen manipulieren und durch Fake-Bids künstlich in die Länge ziehen. Auf diese Weise würden Anbieter wie Swoopo sicher stellen, dass ihre Produkte doch nicht all zu günstig den Besitzer wechseln. Die Plattform-Betreiber freilich weisen diese Beschuldigungen regelmäßig zurück, sobald im Web 2.0 wieder so ein Fass aufgemacht wird.

Mit dem immer wiederkehrenden Vorwurf des Glücksspiels müssen auch diejenigen Shopping-Dienste leben, die im Gegensatz zu Swoopo und Co. mit verdeckten und fallenden Preisen spielen. Bei Rabattschlacht (www.rabattschlacht.de), welches zurzeit ein wenig eingeschlagen scheint, etwa erfahren neugierige Shopper erst dann, was ein Produkt zur Zeit kostet, wenn sie dafür bezahlen. Nutzer müssen in ein so genanntes Zeitguthaben investieren und können anschließend minutenweise an Auktionen teilnehmen, bei denen Produkte mit der Zeit immer günstiger zu haben sind. Eine Minute Zeitguthaben kostet Nutzer mindestens 80 Cent und drückt den Preis eines Artikels um 50 Cent, wenn Nutzer bei einer Aktion mitmachen.

Der Produktpreis fällt bei Rabattschlacht in der Minute um 2,50 Euro, wenn etwa fünf Nutzer bei einer aktuellen Verkaufsaktion gleichzeitig teilnehmen. Verbraucher können den Artikel zu jedem Zeitpunkt der Aktion kaufen oder darauf warten, dass es das Produkt vielleicht noch billiger gibt. Wer aber zu lange wartet, riskiert unter Umständen, dass ein anderer Nutzer den Artikel kauft. Die Aktion startet dann zwar von neuem, beginnt allerdings mit dem wenig attraktiven Originalpreis. „Der Erfolg eines Teilnehmers ist nicht vom Glück abhängig, sondern von seiner Strategie“, erklärt aber Portal-Betreiber Jens Kunath von der Aha.de Internet GmbH in seinem Blog.

Ähnlich wie Rabattschlacht funktioniert auch die Plattform SpreadBooster (www.spreadbooster.de), die im vergangenen Herbst an den Start ging. Auch hier sehen Nutzer erst was ein Produkt kostet, wenn sie dafür 50 Cent investieren. Das Portal ist im Gegensatz zu Rabattschlacht aber mehr als eine Art Shopping-Netzwerk konzipiert denn als Standalone-Store. Interessierte Händler können daher über eine White-Label-Lösung einen SpreadBooster-Bereich im eigenen Shop einrichten.

Durch das Netzwerk-Prinzip versucht SpreadBooster-Betreiber Jörn Kunst, dass Bestandskunden von anderen Shops auf sein Portal zugreifen und damit den Traffic auf der Plattform erhöhen. Damit will er einen zentralen Fehler vermeiden, der beim Vorgängerprojekt Luupo (www.luupo.de) noch in die Insolvenz geführt hatte. Auch bei Luupo konnten Nutzer mit Einsätzen die Preise für Artikel aufdecken. Interessant wurden die Angebote aber nur, wenn auch viele Nutzer gleichzeitig auf ein Produkt gesetzt haben und damit der Preis schnell sank. Um teuren Traffic für Luupo einzukaufen, fehlte in der Startphase aber das nötige Kleingeld. „SpreadBooster umschifft bekannte Fallstricke und ist eines dieser genialen Konzepte, die neuen Schwung in den E-Commerce bringen könnten“, meint E-Commerce-Berater Jochen Krisch von Exciting Commerce. Fraglich aber, ob das sehr erklärungsbedürftige Shopping-Prinzip die breite Masse erreichen kann.

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