Gründerinnen. “Man muss sich vom Sicherheitsbedürfnis lösen” – Ann Marisa Freese von kisju

Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! Jeden Mittwoch stellt deutsche-startups.de in der neuen Reihe “Gründerinnen” eine interessante, wichtige […]
Gründerinnen. “Man muss sich vom Sicherheitsbedürfnis lösen” – Ann Marisa Freese von kisju
Mittwoch, 9. September 2009VonYvonne Ortmann

Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! Jeden Mittwoch stellt deutsche-startups.de in der neuen Reihe “Gründerinnen” eine interessante, wichtige oder erfolgreiche Web-Unternehmerin vor.

Alles fing mit einem Urlaub auf Rügen an: Ann Marisa Freese verliebte sich in Sanddornsaft. Zurück in Berlin suchte sie verzweifelt nach diesem Produkt, wurde aber nicht fündig. Also gründete sie zusammen mit Mirko Riedl kisju (www.kisju.de), einen Marktplatz für regionale und besondere Lebensmittel. Denn es sei doch schade, dass man auf regionale Spezialitäten entweder gar nicht oder nur nach langer Suche zurückgreifen könne. “Bei meiner Recherche merkte ich: Es gibt viele kleine Lebensmittelmanufakturen in Deutschland, aber man findet sie kaum!”, sagt Freese.

Die Unternehmerin, die schon Werksstudentin bei Expedia war und Business Analyst bei Axel Springer, ist selbst auf einem dörflichen Hof aufgewachsen. Die Lebensmittel kamen aus dem Garten oder dem Stall. Ein gesundes Dreierspiel zwischen Verbraucher, Lebensmittel und Produzent ist ihr bis heute wichtig: “Ich möchte wissen, was auf meinem Teller liegt und woher es kommt.” Deswegen dürfen bei kisju nur kleine, zertifizierte Erzeuger ihre lokalen Spezialitäten anbieten. Aktuell sind ungefähr 150 Produzenten in der Datenbank, davon sind allerdings noch nicht alle online. Der Mehrwert für sie ist groß: “Kleine Produzenten können oftmals nicht in den Einzelhandel gehen, da dort Masse verlangt wird”, erklärt Freese. Das Leben als Kleinproduzent sei schwierig: Von Montag bis Freitag werde produziert, Samstag und Sonntag auf Messen und Märkten verkauft. Eigene Onlineshops stellten für viele einen zu großen finanziellen und technischen Aufwand dar. Diesen Part übernimmt nun kisju, die Einzelhändler sind im Prinzip nur noch für den Versand der Produkte zuständig. Kosten entstehen für die Anbieter nur, wenn sie Umsatz machen, denn dann bekommt kisju eine Provision.

“Mein Herz hängt an kisju”

Konkurrent in diesem Segment ist vor allem lokalgold (www.lokalgold.de). “Wir sehen darin allerdings keinen direkten Konkurrenten, da lokalgold mehr ein Shop für ausgewählte Kleinkost ist. Kisju hingegen ist ein Marktplatz, auf dem der Kunde die Vielfalt aller Produzenten entdecken kann und selbst entscheidet, was gut ist und was nicht.” Damit die Anbauprozesse, Verarbeitung und die Menschen hinter den Produkten sichtbar werden, stellt kisju alle Anbieter ausführlich vor. Freese schwärmt besonders für einen Riegel aus “handgeschöpfter” Schokolade: “Man futtert ihn nicht so einfach weg sondern nimmt die Leidenschaft dahinter wahr.”

Wurscht-und-Marisa

Freese liebt ihre Tätigkeit als Unternehmerin. Sie weiß, dass manche Frauen sich von diesem Schritt abhalten lassen, weil sie naturgemäß etwas sicherheitsbedürftiger seien: “Davon muss man sich als Selbständige tatsächlich lösen.” Auch wenn sie wie viele Gründerinnen für das Geschäftsmännische des Unternehmens zuständig ist, interessiert sie der technische Hintergrund ebenso. Manchmal hat sie das Gefühl, dass Männer ihr gegenüber in diesem Bereich etwas überheblich auftreten: “Dabei verstehe ich die Dinge, wenn man sie mir erklärt. Ich habe während meiner Zeit bei kisju schon sehr viel über Programmierung und Softwareentwicklung gelernt.” Denn wenn Kunden mit Anfragen kommen, ob man nicht noch diese oder jene Funktion einführen könne, will sie kompetent mitreden können. Wichtig ist ihr, auch als Unternehmerin ganz “Frau” zu bleiben: Nichts sei nerviger als Frauen, die Männer in deren Art kopieren, um seriös und professionell zu wirken. Bei kisju will sie jedenfalls noch lange bleiben: “Mein Herz hängt daran, ich denke von morgens bis abends daran, auch im Urlaub.”

Zur Person:
Ann Marisa Freese, Diplom Betriebswirtin und geschäftsführende Gesellschafterin von Kisju leitet seit Oktober 2008 zusammen mit Mirko Riedel die Konzeption und Entwicklung des Online Marktplatzes für Lebensmittel von Kleinproduzenten und -Manufakturen. Sie ist maßgeblich verantwortlich für die Entwicklung des Bereiches Geschäftskunden. Zuvor arbeitete sie als Business Analyst im Geschäftsbereich Elektronische Medien der Axel Springer AG.

Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.