“Die Zukunft der virtuellen Welten ist rosig” – Mirko Caspar von Twinity im Interview

Nach Berlin schickte Twinity kürzlich eine digitale Version von Singapur ins Rennen. Was waren die Gründe für den Start in Asien? Singapur hatte großes Interesse an einer virtuellen Version ihrer Stadt. Sie wollen […]

Nach Berlin schickte Twinity kürzlich eine digitale Version von Singapur ins Rennen. Was waren die Gründe für den Start in Asien?
Singapur hatte großes Interesse an einer virtuellen Version ihrer Stadt. Sie wollen sich in Asien als Medien- und Kommunikationsstandort etablieren. Sie betreiben bereits offline hervorragendes Standort- und Städtemarketing: Singapur Airlines, die Formel 1, einer der weltweit besten Flughäfen, die Jugend-Olympiade. Eine virtuelle Welt, welche die Stadt maßstabsgetreu in 3D abbildet, sie weltweit erfahrbar macht und auch den lokalen Unternehmen die Möglichkeit gibt, sich der Welt zu präsentieren, ist für Singapur ein Schlüsselbaustein der digitalen Standortstrategie. Wir werden daher von der Stadt auch finanziell beim Bau des virtuellen Singapurs unterstützt.

Was verspricht sich die Behörde von einem 3D-Abbild ihrer Stadt?
Die Stadt wollte eine Plattform, die es der Stadt selbst und Ihren Unternehmen erlaubt, sich auf innovative Art und Weise der Welt darzustellen und mit Interessenten zu interagieren. So sind unter anderen Medienunternehmen, Tourismusunternehmen und -agenturen sowie die Stadtplaner unsere Partner vor Ort.

Welche weiteren Städte sind in Planung?
London kommt als nächstes. Mehr verraten wir noch nicht. Wichtig war uns, eine effiziente Methode und Technologie zur Entwicklung von maßstabsgetreuen 3D Städten zu entwickeln. Die haben wir jetzt. Damit sind wir offen für den Roll-out neuer Städte – Singapur entstand primär aus der Initiative der Stadt. Wenn eine Stadt als interaktive 3D Plattform im Internet vertreten sein möchte, finden wir eine Lösung. Gegebenenfalls möchte auch eine Community oder Agentur eine Stadt bauen – wir sind offen für neue Ideen.

Wie viel Vorlaufzeit braucht der Start einer neuen Twinity-Welt?
Alle Aktivitäten und Städte sind in der Welt Twinity gebündelt. Wir eröffnen innerhalb von Twinity neue Städte. Ein solcher Ansatz einer ganzen Welt mit maßstabsgetreuen Städten ist weltweit einzigartig. Daher gibt es auch noch keine Blaupausen für den Launch einer neuen Stadt. Wenn 2D- und 3D-Geodaten schon vorliegen, geht das Bauen mit unserer Technologie mittlerweile sehr schnell – wir reden da von ein paar Monaten. Der Rest hängt vom Marketing- und Launchansatz ab, den wir gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln. Jede Stadt ist anders.

So sehen Sie die größten Chance für Twinity: In Europa, Asien oder den USA?
Aus unseren bisherigen Erfahrungen ist Asien Innovationen aus dem 3D Web gegenüber am aufgeschlossensten – dicht gefolgt von den USA. Wobei auch in England das Interesse bei den Medien nach wie vor sehr groß ist. Als Stadt entwickelt sich Berlin als guter Standort für virtuelle Welten – Twinity, Smeet, Bailamo, Panfu etc. – alles Welten made in Berlin.

Was raten Sie anderen Start-ups, die in Asien Fuß fassen wollen?
Singapur ist ein guter Standort, um in Asien Fuß zu fassen. Es bündelt viele Kulturen, ist zentral gelegen und sehr effizient und unternehmerfreundlich. Wir steuern auch Aktivitäten in China aus Singapur. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, jemanden aus unserem Hauptsitz in Berlin, der Unternehmen und Twinity gut kennt, das Büro aufbauen und leiten zu lassen und dann dort mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten.

Haben virtuelle Welten überhaupt eine Zukunft, von Second Life hört man schließlich nicht mehr viel?
Second Life wurde gerade von Next Up bewertet. Sie machen circa 100 Millionen Dollar Umsatz und haben eine sehr aktive Kernnutzerschaft. Next Up kommt zu einer Bewertung von 700 Millionen Dollar. Darüber kann man streiten, aber der Bericht macht eines deutlich: Mit virtuellen Welten und virtuellen Gütern lässt sich schon heute viel Geld verdienen. Kzeros aktuelle Zahlen zur Industrie sind ebenfalls sehr positiv: poptropica.com: 76 Million registierte Nutzer, Habbo 135 Millionen, Neopets 54 Millionen, Star Dolls 34 Millionen, Club Penguin 28 Millionen. Die Technologie entwickelt sich schnell. Millionen von Kids und Jugendlichen wachsen mit Avataren auf, auf die sie nicht mehr verzichten wollen. Die Zukunft der virtuellen Welten ist rosig.

Der wichtigste Unterschied zu Second Life ist sicherlich, dass sich die Nutzer bei Twinity in einer bekannten Umgebung bewegen. Reicht dies als Alleinstellungsmerkmal?
Im Kern geht es um die Identität des Mitglieds. Facebook hat im Vergleich zu MySpace gezeigt, welch‘ riesigen Unterschied der echte Name im Vergleich zum Spitznamen macht. In allen uns bekannten virtuellen Welten hat der Nutzer eine Fantasiefigur in einer Fantasiewelt. Bei uns kann man auch im Internet “man selbst” sein. Die Mitglieder können in vertrauter Umgebung mit einer echten Person ganz einfach ins Gespräch kommen und gemeinsam etwas erleben. Das ist ein mächtiges Alleinstellungsmerkmal.

Um Twinity nutzen zu können, muss man einen Client runterladen. Ist dies nicht eine zu große Hürde, um den Massenmarkt zu erobern?
Wir wollen eine echte 3D-Welt, maßstabsgetreu, realistisch, mit nutzergeneriertem 3D- und Multimedia-Content. Heutzutage braucht man dazu einen Client. Die Internetnutzer haben gelernt, dass Sie für eine bestimmte Erlebnisqualität Programme herunterladen müssen. Neue Technologien werden in Zukunft sicherlich den Massenmarkt noch weiter öffnen.

Wer sich aktuell durch Twinity bewegt, wandert schon mal endlos durch einsame Straßen. Wer bewegt sich bisher in der virtuellen Welt?
Wir sind in der Betaphase und haben uns die letzten Monate gemeinsam mit unseren Mitgliedern und Partnern hauptsächlich um unser Produkt gekümmert. Der Großteil des ersten Feedbacks ist abgearbeitet. Wenn die Phase abgeschlossen ist, setzen wir neben der weiteren Produktoptimierung auf Wachstum. Zurzeit haben wir über 140.000 registrierte Mitglieder, Durchschnittsalter 31, die Hälfte Frauen. Über 60% kommen aus dem Ausland. Eine interessante, internationale Mischung. Über das Browsen der beliebtesten Plätze, der Online-Mitglieder oder des Eventkalenders findet man auch schnell andere Twinizens.

Bei der letzten Finanzierungsrunde sammelte Twinity stattliche 4,5 Millionen Euro Risikokapital ein. Mitten in der Finanzkrise eine beachtliche Summe. Wofür braucht Twinity so viel Geld?
Es gibt – soweit wir wissen – außer uns niemanden, der eine maßstabsgetreue 3D-Welt mit nutzergeneriertem Content und virtueller Ökonomie gebaut hat. Wir betreten immer wieder Neuland und eine MMOG Plattform mit Web-Community, Immobilienmarktplatz, 3D-Content Schnittstellen etc. ist einfach ein großes Projekt. Große Entwicklungsbudgets sind in der Spieleindustrie seit Jahren eher die Regel – und wir benutzen die gleiche Technologie.

Unternehmen können sich in den Twinity-Welten auf verschiedene Arten werblich präsentieren. Für wen soll dies interessant sein?
Twinity ist zurzeit vor allem für zwei Gruppen interessant: Zum einen Innovationsführer im Netz, die auf den Dialog mit der Zielgruppe sowie auf Erlebnismarketing und interaktiven Content setzen. Zum anderen Marken, die eng mit den Städten verbunden sind, zum Beispiel durch Markenpositionierung, die Herkunft oder das touristische Serviceangebot.

Findet diese Werbeform schon Abnehmer?
Virtuelle Welten sind ein Erlebnismedium. Das ist neu und muss auch von den Unternehmen erst einmal gelernt werden. Wer das verstanden hat, kann die Stärken einer virtuellen Welt ausspielen: Ein einzigartiger Kanal für Konsumenten, um mit Marken, Unternehmen oder anderen Kunden zu interagieren. Etwas über ein Marke oder Produkt zu lernen, ist wie eine neue Sprache zu erlernen: Es bleibt viel besser hängen, wenn man selbst etwas sagen oder tun muss, als nur zuzuhören oder zu lesen. Interaktion mit der Marke, dem Produkt und der Community kann jetzt auch digital stattfinden, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, weltweit und effizient.

Nutzer können bei Twinity ebenfalls Geld ausgeben – sei es für virtuelle Wohnungen oder Gegenstände. Geplant ist zudem ein kostenpflichtiges Premiummodell. Was wird langfristig wichtiger sein: Zahlende Unternehmen oder Nutzer?
Die Community kommt immer zuerst. Das wird wohl auch beim Geldverdienen so sein. Langfristig erwarten wir einen ausgeglichenen Mix an Einnahmen von privaten Nutzern und Unternehmen.

Wann schreibt Twinity schwarze Zahlen?
Sobald der Umsatz größer als die Kosten ist, machen wir Gewinn. Daran arbeiten wir.

Zur Person
Mirko Caspar wirkt als Geschäftsführer und Chief Marketing Officer (CMO) bei Metaversum, der Betreiberfirma der virtuellen Welt Twinity (www.twinity.com). Zuvor arbeitete er bei Universal Music, McKinsey und Jive Records. Bereits seit Sommer 2006 arbeitet das Berliner Unternehmen, welches kürzlich eine üppige Finanzspritze von Grazia Equity, Balderton Capital (ehemals Benchmark Capital) und weiteren Investoren bekommen hat, an der Verwirklichung der 3D-Online-Welt. Anders als bei Second Life steht bei Twinity die Verknüpfung der realen und der virtuellen Welt im Vordergrund.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.