Fragestunde mit Till Behnke von Betterplace – die Antworten

In der vergangenen Woche hatten die Leser von deutsche-startups.de erneut die Möglichkeit, einem Gründer im Rahmen des user-generated Interviews Fragen zu stellen. Für die aktuelle Runde hatte sich Till Behnke, Gründer von bettplace […]

In der vergangenen Woche hatten die Leser von deutsche-startups.de erneut die Möglichkeit, einem Gründer im Rahmen des user-generated Interviews Fragen zu stellen. Für die aktuelle Runde hatte sich Till Behnke, Gründer von bettplace (www.betterplace.org), zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür! Hier seine ausführlichen Antworten auf die Fragen, die die Redaktion erreichten:

Hinter betterplace steht eine gemeinnützige Stiftung: Wie finanziert sich betterplace wie sehr sind Sie weisungsgebunden?
betterplace finanziert sich langfristig selbst und ohne einen Abschlag auf die abgewickelten Spenden zu nehmen: In der Aufbauphase (inkl. der nächsten 24 Monate) werden wir allerdings noch maßgeblich über Förderer finanziert, die an die Idee glauben und den Hebel erkennen, daß jeder Euro für betterplace in der Folge ein vielfaches für soziale Projekte bedeutet. Wir suchen daher weiter Privatpersonen & Unternehmen, die uns für die nächsten zwei Jahre mit Spenden unterstützen. Egal ob mit einmalig 10 Euro oder 1000 Euro.

Wir haben keine Werbeeinnahmen (wir schalten keine Werbung), bieten aber Unternehmen einen Platz auf der Plattform, wofür wir Gebühren berechnen. Unternehmen können mit ihrem eigenen Bereich auf der Plattform ihr soziales Engagement („Corporate Social Responsibility“) sichtbar machen und interaktiver gestalten. So können z.B. bei Katastrophen Mitarbeiter und Kunden auf einer eigenen Seite des Unternehmens spenden, bekommen News aus der Region. Anschließend machen wir das Reporting fürs Unternehmen – und das Unternehmen verdoppelt ggf. die Spenden (sog. „Matching Fund“). Schon jetzt decken diese wachsenden Umsätze etwa 1/3 unserer Ausgaben – mit stark ansteigender Tendenz.

Weisungsgebunden sind wir überhaupt nicht. betterplace ist absolut unabhängig, alle Entscheidungen werden von den fünf Gründern der Stiftung getroffen, die alle auch mindestens einen Teil ihrer Zeit oder sogar Vollzeit operativ mitarbeiten.

Wie können Sie sicherstellen, dass die Gelder, die über das Portal gespendet werden, tatsächlich bei dem Projekt ankommen und zielgerichtet eingesetzt werden?
Der Marktplatz reguliert sich komplett selbst. Wer keine direkten Beziehungen zu den Projekten hat, der spendet an die bekannten Hilfsorganisationen, die auch bei uns vertreten sind. Wer direkt von Freunden oder Freundesfreunden eingeladen wird, ein „Grassroots“-Projekt zu unterstützen, der kennt die Menschen hinter dem Projekt und hat einen persönlichen Grund für Vertrauen. Wir nennen das „Web of Trust“.

So ist jeder Unterstützer für seine Entscheidung selbst verantwortlich. Wir bieten die Infrastruktur und den Treffpunkt und unsere Plattform bietet größtmögliche Transparenz und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen allen Akteuren, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Wir können nicht jedes der 700 Projekte überprüfen. Gleichzeitig verhindern wir Missbrauch und Geldwäsche, indem wir nur Auszahlungen auf Girokonten im internationalen Bankennetz zulassen. Es gibt keine Bargeld- oder Scheckauszahlungen wie bei Western Union, wo der Empfänger nicht eindeutig identifizierbar ist.

Natürlich müssen auf der Plattform alle Projekte regelmässig über den Fortschritt berichten, in Text und Bild und manchmal Video. Wer das nicht tut, oder aus anderen Gründen unglaubwürdig ist , bekommt ganz schnell schlechte Bewertungen aus der Community und das Projekt versinkt in den Untiefen der Plattform – und erhält keine Unterstützung.

Wie hoch ist die durchschnittliche Spendensumme?
Erstaunlich hoch und mit ca. 60 Euro deutlich höher als der Durchschnitt bei klassischen Spendenkanälen. Das hängt unseres Erachtens mit der direkten Beziehung der Spender zu den Projekten (z.B. durch persönliche Einladungen durch Freunde) und der Transparenz über die Mittelverwendung zusammen.

Übersteigen bei kleinen Spenden nicht die Transaktionskosten den tatsächlichen Spendeneffekt?
Bei Spenden von einem Euro sind zumindest die Gesamtprozesskosten nahe dran. Aber über alle Spenden haben wir (inkl. Überweisungskosten ins Ausland) Transaktionskosten von unter 1% des Spendenvolumens. Darüber hinaus haben wir mit der Wirecard einen Payment Dienstleister, der als Förderer der betterplace Stiftung diese Kosten deckt.

Wie groß ist das Team mittlerweile und welche Qualifikationen sind in Ihrem Team vertreten? Welche Kompetenzen Sie in einem Start-up wie Ihrem als unverzichtbar?
Das feste Team hat eine Größe von 20 Personen, wovon 18 akademische Abschlüsse haben. Bezahlt werden davon 9, die übrigen bringen ihre Zeit und Know-How als Freiwillige Mitarbeiter ein. Dazu kommen noch mal etwa 25 Freiwillige, die nicht ganz so eng, aber auch regelmässig für betterplace tätig sind. Viele davon bauen über Deutschland verteilt in ihrer jeweiligen Region die Netzwerke aus. Sie helfen kleineren lokalen Projekten, sich auf der Plattform zu präsentieren, akquirieren Unternehmen oder bahnen Partnerschaften mit Lokalmedien an.

Arbeiten in Ihrem Team nur „Gutmenschen“?
Das ist ein Begriff, mit dem wir unsere Probleme haben, zumindest wenn er im Vordergrund steht. Zunächst sind alle im Team Experten in ihrem jeweiligen Gebiet. Wir verstehen uns nicht als Hilfsorganisation, sondern als soziales Unternehmen – und so arbeiten wir auch. Wir haben Zielvereinbarungen und Kennzahlen, anhand derer wir unseren Erfolg messen und jeden Tag versuchen, besser zu werden.

Aber es ist in der Tat so, daß jeden hier das Thema an dem wir arbeiten besonders motiviert und wir alle dafür bereit sind, deutliche Einbußen z.B. beim Gehalt in Kauf zu nehmen. Jeder, der hier Vollzeit ist, muss davon leben können und soll auch möglichst bald ein adäquates Gehalt bekommen. Aber allen ist der Sinn der Arbeit wichtiger, als das Auto vor der Tür. Das bestärkt sich auch gegenseitig und so helfen finanzielle Förderer dabei, daß wir überhaupt Gehälter zahlen können. Das interessante ist: Diese Art von Gutmenschen findet man in diesen Zeiten immer mehr, weil die Menschen gerade in schwierigen Zeiten anfangen, ihren bisher ausschließlichen Fokus auf ihre Karriere zu hinterfragen.

Hat es ein Start-up, das sich caritativen Zwecken verschrieben hat, in der jetzigen Krise schwerer als andere Start-ups?
Für unsere eigene Finanzierung ist das jetzige Klima grundsätzlich auch nicht förderlich. Wir hatten auch schon einen Fall, wo ein großer Förderer einen bereits mündlich zugesagten Beitrag wieder zurückgezogen hat. Diejenigen aber, die sich bewusst für die Förderung von betterplace entscheiden, die sind so mit uns verbunden, daß sie ihr Committment in den vergangenen Monaten eher bekräftigt haben.

In der Krise ist es eher für for-profit Start-Ups ein Problem Finanzierung zu bekommen. In naher Zukunft ist kein gutes Exit-Klima in Sicht und viele Investoren sind nicht bereit, in dieser Zeit mehr und mehr Risiko einzugehen. Bei uns gibt es für Investments immer eine Spendenquittung und soziale Rendite, mit oder ohne Krise. Mein Optimismus muss sich an dieser Stelle auch erst noch als richtig erweisen, auch wir suchen noch weitere starke Förderer, um unser Potential wirklich entfalten zu können.

Erschwert die aktuelle Krise das Einsammeln von Spendengeldern?
Auch was die Spenden auf unserem Marktplatz an die vielen Projekte betrifft, ist kein Rückgang zu sehen. Allerdings lassen sich unsere stark wachsenden Zahlen nur schwer bereinigen. Wir werden jeden Tag bekannter und es finden jeden Monat mehr Transaktionen auf der Plattform statt. Ob wir ohne Krise noch stärker wachsen würden, kann ich nicht sagen.
Ein weiteres Indiz sind die Zahlen der großen Hilfsorganisationen. Die gehen bislang auch nicht deutlicher zurück, als sie sowieso schrumpfen, weil der Markt immer umkämpfter wird und nur wenige zeitgemäße Kanäle anbieten.
Die engagierten Menschen sind also in der Krise nicht weniger engagiert.

betterplace ist mittlerweile nicht mehr das einzige Unternehmen, dass Spenden im Netz sammelt und damit „Gutes tun“ will: Sehen Sie daher im Bereich „social Responsibility“ nach noch Chancen für weitere Geschäftsmodelle oder ist dieser Bereich gesättigt?
„Spenden im Netz“ ermöglichen immer mehr Angebote. betterplace ist aber in vielerlei Hinsicht (sogar weltweit) einzigartig:

• betterplace.org ist ein offener Marktplatz: Auf betterplace.org kann sich jede noch so kleine Initiative präsentieren, aus ihrer Anonymität herauskommen und ihren Bedarf transparent und „anfassbar“ darlegen.
• Über betterplace.org kann der potentielle Spender unmittelbar mit dem Empfänger in Kontakt treten, sich das bisherige Feedback anschauen oder die Bewertungen von Experten betrachten. Darüber hinaus hat er Qualitätsmaßstäbe, die über die bekannten Vertrauensmechanismen hinausgehen: Im Web of Trust eines Projekts kann er bspw. Blogeinträge von „Projektbesuchern“ lesen, also z.B. Rucksackreisende, die sich das Projekt vor Ort mit eigenen Augen angesehen haben. Oder die Meinungen von „Projektfürsprechern“ oder auch von jedem ganz normalen Nutzer zur Rate ziehen.
• Engagierte Unternehmen können die Plattform nutzen, um ihr soziales Engagement lebendiger zu machen und Mitarbeiter und Kunden zu involvieren. Die eingenommenen Gebühren verwenden wir nicht für Dividenden an die Gesellschafter, sondern ausschließlich für den Ausbau der Aktivitäten der gemeinnützigen betterplace Stiftung.
Was das generelle Potential zum Thema Corporate Responsibility angeht, gibt es sicher noch Raum für Geschäftsmodelle, die alle Aspekte unternehmerischen Handelns ganzheitlich betrachten. Auch für das Internet. betterplace konzentriert sich ausschließlich auf konkrete soziale und ökologische Projekte, die unterstützt werden.

Gibt es schon in mittelständisch geprägten Firmen dezidierte CSR Verantwortliche und CSR Budgets für solche Themen und wie stellt sich das prozentual dar im Vergleich zu Konzernen?
Nach und nach bekommt das Thema auch im Mittelstand unter diesem Namen einen größeren Stellenwert, eigene Stellen und Budgets. Dabei wird das Konzept gerade im Mittelstand zum Teil schon seit Jahrzehnten besonders ausgeprägt gelebt. Gerade mittelständische Unternehmen haben als „Corporate Citizens“ in ihrem regionalen Umfeld eine große Bedeutung. Anders als CSR bei manchen großen Unternehmen ist das kein Trend aus den USA oder Skandinavien.

Was genau versteht betterplace “interaktive Spenden- und Volunteering-Programme”?
In der Vergangenheit haben viele Unternehmen große Spenden-Schecks ausgestellt und zur Übergabe die Lokalpresse eingeladen. Dabei ist der soziale Impact meist ebenso intransparent , wie auch die Relevanz für Mitarbeiter und Kunden niedrig ist, die davon in der Zeitung lesen.

Unternehmen fördern inzwischen mehr und mehr die Mitarbeiter, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich betätigen durch Sonderurlaub und finanzielle Unterstützung derer Projekte. Auf unserer Plattform können Unternehmen auf ihrer eigenen Profilseite nicht nur zeigen, welche Projekte im Rahmen der CSR Strategie eine Spende erhalten haben, sondern es können alle Projekte gefunden werden, die von Mitarbeitern unterstützt werden. Kollegen, deren Angehörige, aber auch Kunden können nun darauf aufmerksam werden und durch Geldspenden zusätzliche Beiträge für diese Projekte leisten.

Dazu bieten wir ein Gehaltsspendenprogramm, bei denen Mitarbeiter monatlich auf die Auszahlung der Cents in der Abrechnung verzichten, oder monatlich 1 Euro geben, und dann gemeinsam über die Verteilung des „Topfes“ online abstimmen können. Über sog. Payroll Giving kommt in Großbritannien jährlich ein Spendenvolumen von über 100 Millionen Pfund zusammen.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von punktuellen Einsatzmöglichkeiten: Bei einer Katastrophe kann das Unternehmen bei uns eine Seite schalten, auf der Mitarbeitern und Kunden Spenden für Soforthilfemaßnahmen großer Hilfsorganisationen ermöglicht wird. Viele Unternehmen verdoppeln dann am Ende die Summe, die während eines gewissen Zeitraums gesammelt wurden.
Oder an Weihnachten vermitteln wir die Wünsche aus Kinderheimen im ganzen Bundesgebiet an Unternehmen, deren Mitarbeiter diese dann online erfüllen können.

Sie setzten derzeit auf eine Plakatkampagne als Marketinginstrument. Wie hoch war das Budget dafür und welche weiteren Maßnahmen planen Sie zusätzlich?
Ganz allgemein haben wir gar kein Marketingbudget. Wir geben unsere begrenzten Mittel ausschließlich für die Gehälter der Vollzeitmitarbeiter und Praktikanten aus. Für alles Andere (Rechtsberatung, Steuerberatung, Werbeagenturen, Büromöbel, Miete, Strom) sind wir auf die sogenannte Pro Bono Unterstützung durch Unternehmen angewiesen. Die wachsende Anzahl solcher Unterstützer ermöglicht uns auch ab und zu Marketingaktionen durchzuführen. Natürlich kann dabei auch nicht immer die Druckerei auf alle Kosten verzichten und auch der Plakatplatz kann nicht immer kostenfrei angeboten werden – aber dann suchen wir eben die Sponsoren, die verbleibenden Kosten übernehmen. In dem genannten Fall war es wirklich das großartige gemeinsame Committment von der Agentur PULK, Gruner + Jahr und Wall,. Hätte einer der drei Partner nicht mitgemacht, würden keine Plakate von uns hängen.

Für welche Projekte wird der Erfahrung nach mehr Geld gespendet: Für hungernde Kinder in Afrika oder für Bedürftige vor der eigenen Haustür?
Das ist glücklicherweise so divers, wie die Projekte, die nach Unterstützung suchen. Jeder hat andere persönliche Gründe für sein Engagement und so werden alle Rubriken unterstützt. Projekte mit Kindern sind schon besonders beliebt, aber auch Umweltthemen bekommen viel Aufmerksamkeit. Das hat natürlich auch immer mit der allgemeinen Medienagenda zu tun.
Das Verhältnis zwischen Projekten in Deutschland und dem Ausland ist sehr ausgewogen. Projekt-, wie auch Spenderseitig.

Gibt es eigentlich Pläne, mit betterplace künftig auch im Ausland Geld zu sammeln?
Unsere aktuell (nach 13 Monaten) 10.000 registrierten Nutzer kommen bereits aus über 90 Ländern, dazu kommen viele anonyme Spender, weil sich nicht jeder bei betterplace registrieren muss. Natürlich konzentrieren wir unsere Öffentlichkeitsarbeit stark auf Deutschland, aber es kommen immer mehr Gruppen auf uns zu, die nicht betterplace nachbauen, sondern in ihrer Region verbreiten wollen. So haben wir bereits Freiwilligenteams von Nürnberg über Spanien bis nach Kapstadt.

Was ist Ihr bislang liebstes Projekt, das auf betteterplace gefördert wurde?
Ich habe selbst zwei Jahre in Südafrika gelebt, daher liegt mir der Kontinent Afrika besonders am Herzen. Wie die meisten betterplace Nutzer beobachte ich, welche Projekte von meinen Kontakten unterstützt werden. Besonders gefällt mir die Arbeit, die Freunde von mir in Mali machen. Einige Deutsche, die ihre Beraterjobs gekündigt haben, haben dort bereits in kurzer Zeit eine Schule zu neuem Leben erweckt und einer ganzen Region geholfen. Ihr Verein Sterntaler sammelt aktuell für Bildungschancen von Strassenkindern. Die Projektverantwortlichen sind selbst viel vor Ort und berichten regelmässig über die Fortschritte. Momentan benötigen sie z.B. Geld für Lernmaterialien und Abendessen.

Artikel zum Thema:
* Fragestunde mit Till Behnke von Betterplace – die Fragen
* betterplace sammelt Spenden für weltweite Projekte

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.