Oliver Holle von Speedinvest im Interview

Österreich: “Der Zugang zu Förderungen ist einfacher”

"Die Szene in Österreich ist kleiner, aber vielleicht für Investoren sehr interessant. Und: die Bewertungen in Berlin sind teilweise nicht mehr vernünftig, das wird sich noch rächen", sagt der Wiener Speedinvest-Gründer Oliver Holle über die Mentalität in der deutschen Haupstadt.
Österreich: “Der Zugang zu Förderungen ist einfacher”
Donnerstag, 14. Juli 2016VonChristina Cassala

Was wäre Österreich ohne Mozart, Sisi und Alpenromantik? Für Touristen sicherlich um einige Attraktionen ärmer, aber für junge Gründer und Unternehmer ist das Nachbarland mittlerweile viele mehr als nur ein Urlaubsland oder Lebensgefühl mit Schmäh und Sachertorte.

Längst hat sich in Österreich eine dynamische Start-up Kultur entwickelt. Das haben auch die Investoren gemerkt und ihr Auge auf Städte wie Wien, Linz, Innsbruck oder Graz geworfen. In unserem Themenschwerpunkt Österreich beschäftigen wir uns in lockerer Reihenfolge ausgiebig mit der Gründerszene in der schönen Alpenrepublik.

“Die österreichische Gründer-Szene ist durch Agilität gekennzeichnet”

Im Interview mit deutsche-start-ups spricht Oliver Holle, Investor und Gründer von Speedinvest, über den Kapitalzugang in Österreich.

Warum sollten Deutsche ihr Unternehmen in Österreich gründen?
Zum einen ist die österreichische Gründer-Szene durch eine überraschende Agilität und Innovation gekennzeichnet. Es gibt vergleichsweise guten Zugang zu bestausgebildeten Entwicklern, eine ausgezeichnete Förderlandschaft, viele aktive Business Angels und mit Speedinvest einen global agierenden Frühphasenfonds.

Warum sollte ein Gründer auch nach Österreich expandieren?
Eine Expansion von Deutschland nach Österreich liegt natürlich bereits aus sprachlichen und geografischen Aspekten nahe, und kann ein sinnvoller erster Schritt sein, um Learnings für weitere Märkte zu ziehen. Und es kostet nicht viel. Oftmals wird von Gründern unterschätzt, dass eine Expansion viele Komplexitäten mit sich. Bei Speedinvest begleiten wir viele unserer internationalen Start-ups bei Markt-Expansionen, vielfach auch nach Österreich.

Wien, Innsbruck oder Graz – welche Stadt eignet sich am besten für eine Gründung in Österreich?
Anders als zum Beispiel in Deutschland konzentriert sich in Österreich noch das meiste auf Wien. Das kann alleine bereits auf die Größe der Stadt zurückgeführt werden, Graz als zweit-größte Stadt hat bereits nur noch ein Sechstel der Einwohnerzahl Wiens. Es gibt natürlich auch erfolgreiche Start-ups in anderen Städten, z.B. in Linz – wo übrigens auch Runtastic gegründet wurde. Wichtig sind in letzter Instanz die Nähe zu Hochschulen, vor allem auch im technischen Bereich, und eine vitale Start-up Szene. Und da bietet Wien natürlich am meisten für Gründer.

Wie gut schätzen Sie die Investorenlandschaft in Österreich ein?
2011 waren wir mit Speedinvest noch de facto die einzigen auf dem Markt. Heute sieht es viel besser aus, vor allem durch die verstärkte Aktivität von Business Angels, Family Offices und Serial Entrepreneurs, und, last not least, gibt es jetzt mit uns auch einen 100M Fonds, der sehr aktiv und sehr frühphasig investiert. Anschlussfinanzierungen (Series A und später) sind aber leider immer noch ein schwieriges Thema, dafür müssen sich Startups zumeist außerhalb Österreichs bzw. in der USA umschauen. Wir haben bei Speedinvest dafür ein Office im Silicon Valley und eine Partnerschaft mit NEA, durch die wir unsere Beteiligungsunternehmen auch noch in späteren Phasen unterstützen können. Wichtig für die zukünftige Entwicklung sind aber auch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir freuen uns, dass mit Christian Kern jetzt ein Kanzler regiert, der sich auch für die Startup-Landschaft interessiert und hier hoffentlich die lang erwarteten Änderungen bringen wird.

Welche Personen sollte ein deutscher Gründer unbedingt kennen, um erste Schritte erfolgreich in Österreich zu machen?
Hansi Hansmann ist in Österreich sicher der bekannteste Business Angel, der als Pionier auf dem österreichischen VC-Markt bekannt ist. Die von Hansi mitgegründete AAIA vereint außerdem einige wichtige Business Angels, die die Szene in Österreich stark prägen. Ich würde auch empfehlen, mit Gründern oder ehemaligen Gründern zu sprechen, die bereits Erfahrung auf dem österreichischen Markt gemacht haben. Die vier Runtastics und die zwei Shpock Gründer wären hier beispielsweise top Ansprechpartner. Gründer aus dem digitalen Bereich sollten sich natürlich bei Speedinvest melden. Darüber hinaus ist Pioneers (Pioneers Festival, Pioneers Ventures) und natürlich AustrianStartups.com eine ideale erste Anlaufstelle für Gründer.

Welches sind die größten Unterschiede innerhalb der Startup-Ökosysteme Deutschland und Österreich?
Der Zugang zu staatlichen Förderungen ist in Österreich einfacher, vor allem die AWS und FFG sind hier sehr aktiv. Die Szene in Österreich ist kleiner, aber vielleicht für Investoren sehr interessant: Gründern sind vor allem technisch exzellent ausgebildet, gewohnt, mit wenig Kapital viel zu erreichen und extrem hungrig. Und: die Bewertungen in Berlin sind teilweise nicht mehr vernünftig, das wird sich noch rächen.

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Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.