15 Fragen an Lars Reiner von Ginmon

Niemals “verbissen im Stealth-Mode unterwegs” sein

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Lars Reiner von Ginmon.
Niemals “verbissen im Stealth-Mode unterwegs” sein
Freitag, 1. Juli 2016VonChristina Cassala

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Ich habe die ersten Jahre meiner beruflichen Laufbahn bei einer etablierten Großbank verbracht und so schätze ich nun die schnelle und entscheidungsfreudige Arbeitsatmosphäre, die wir im Gründerteam pflegen. Das steht im vollständigen Kontrast zu den langwierigen Prozessen einer Bank und führt auch dazu, dass wir schneller und effizienter in der Produktentwicklung sind. Und dadurch, dass man gemeinsam mit dem Team jeden Tag Fortschritt erlebt macht die Arbeit selbstverständlich auch viel mehr Spaß.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Die ursprüngliche Idee kam mir bereits vor vielen Jahren als ich noch Vorstand des Goethe Investment Fund war. Dort haben wir wissenschaftlich fundierte Anlagekonzepte für das Stiftungsvermögen der Goethe Universität Frankfurt ausgearbeitet. Dabei wurde schnell klar, dass sich diese Anlagekonzepte gleichermaßen für Privatanleger eignen. Aufgrund fehlender unabhängiger Beratung und geringer Margen musste jedoch eine automatisierte Technologie für die Kundenberatung und das Portfoliomanagement her. Das ist letztendlich genau das, was wir heute mit Ginmon bieten.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
In dieser Beziehung haben wir sicherlich einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Zu Beginn stammte nämlich das gesamte Finanzierungskapital aus dem Team selbst. Wir sind heute auch sehr stolz, wie viel wir so gemeinsam erreicht. Ganz ohne externes Kapital funktioniert die Skalierung des Geschäftsmodells aber natürlich nicht. So hat sich letztes Jahr noch eine Frankfurter Beteiligungsbank an Ginmon beteiligt. Und das wird sicherlich auch nicht die letzte Finanzierungsrunde sein.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Im Bereich FinTech ist das Thema Regulierung immer ein großes Thema. Wir mussten also zunächst eine Partnerbank finden die unsere Produktvision teilt, mit geringsten Margen arbeiten kann, sich technologisch an uns anbinden lässt und die Ihre BaFin-Lizenz für unser Geschäftsmodell bereitstellt. Zusätzlich mussten wir selbst natürlich auch entsprechende Lizenzen erhalten, damit wir überhaupt als digitaler Anlageberater tätig sein durften.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Ich würde noch früher starten und den “Fit” unseres Produktes für die jeweiligen Zielgruppen früher testen. So haben wir zum Beispiel in den ersten Monaten nach unserem Market Launch zunächst vergeblich versucht eine Zielgruppe bedienen zu wollen, die unser Produkt gar nicht so sehr geschätzt hat wie wir dies erwartet haben. Wir haben erst später erkannt, dass andere Zielgruppen deutlich interessierter an unserer Lösung sind. Nachdem wir unsere Ansprache und unseren Fokus angepasst haben ist unser Modell und das Kundenwachstum plötzlich explodiert.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Das Thema Robo-Advisory lebt sicherlich auch von der extremen Aufmerksamkeit der Presse. Der digitale Wandel der Finanzindustrie, die Versäumnisse der Banken und die häufig schlechte Anlageberatung in Filialen spielt uns dabei ebenso in die Karten wie die aktuelle Niedrigzinspolitik der EZB. Die laufende Berichterstattung über Ginmon im Netz, Zeitungen, Radio und TV ist das beste Marketing, das wir uns wünschen könnten.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Christian Hoppe und sein Team vom MainIncubator in Frankfurt haben uns bereits früh mit günstigen Räumlichkeiten und ihrem Netzwerk unterstützt. Durch die monatliche Between-the-Towers Veranstaltungsreihe zum Thema FinTech haben wir zudem recht früh die nötige Visibilität erlangt.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Sich früh und offen mit anderen über die eigene Geschäftsidee auszutauschen. Ich sehe immer wieder Gründer, die ganz verbissen im “Stealth”-mode unterwegs sind und bloß niemandem davon erzählen, was sie vorhaben. Nach zwei Jahren starten diese dann mit einem Produkt am Markt und erkennen dann schmerzhaft, dass das Produkt in dieser Form gar niemand haben möchte.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Die Stadt Frankfurt arbeitet aktuell daran den Standort beispielsweise durch die Gründung eines FinTech Centers gegenüber London in diesem Bereich stärker zu positionieren. So soll die Position Frankfurts als Finanzplatz Europas ausgebaut werden. Mein Eindruck ist, dass dieses Projekt etwas schneller voran kommen dürfte. Ich würde ihn daher bitten, ob er das Projekt zur Chefsache erklären könnte.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Wenn ich nicht selbst gegründet hätte würde ich hoffentlich trotzdem bereits bei einem anderen Startup mitarbeiten und Erfahrungen sammeln bevor ich mich dann endlich selbst zur Gründung entschieden hätte.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Kitchen Stories – Ich koche leidenschaftlich gern und finde den Ansatz mit deren qualitativ hochwertigen Videos eine echte Bereicherung.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Mein Mathelehrer hatte uns damals das Konzept des Zinseszins wie folgt erklärt: Ich würde 2.000 Jahre zurück ins alte römische Reich reisen und ein Bankkonto mit dem Äquivalent eines einzelnen Euro auf meinen Namen eröffnen. Zurück in der heutigen Zeit könnte ich dann auf ein Vermögen mit etwa 34 Nullen blicken. Ich weiß nicht einmal wie man diese Zahl ausspricht.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Ich würde das Geld mit einem Robo-Advisor anlegen und mich zum Renteneintritt über knapp 15 Millionen Euro freuen.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Bei einer Weinwanderung im nahegelegenen Rheingau.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Prof. Eugene Fama, der Wirtschaftsnobelpreisträger auf dessen Forschung unser Anlagekonzept basiert. Am besten bei einem Bier, da finden meist die spannendsten Gespräche statt.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Lars Reiner war vor seiner Zeit als Gründer des Frankfurter Robo-Advisor FinTech Ginmon bei der Deutschen Bank als Managementberater tätig. Als Gründer und Vorstand des Goethe Investment Fund war Lars Reiner zudem für die Ausarbeitung von wissenschaftlichen Anlagemodellen für das Stiftungsvermögen der Goethe-Universität Frankfurt verantwortlich. 2014 gründete Lars Reiner mit seinen Mitgründern Ginmon. um die wissenschaftlichen Anlagemodelle, die zuvor sehr wohlhabenden und institutionellen Kunden vorenthalten waren, durch moderne Technologie einer breiteren Masse zur Verfügung zu stellen.

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Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.