Oliver Weimann im Interview

“Das maximale Desinteresse führte zu einem Vakuum”

"Wir sehen momentan eine ziemlich dynamische Entwicklung der Startup-Szene im Ruhrgebiet! Auf der einen Seite muss und wird intensiv an einem städteübergreifenden Netzwerk zwischen Startups gearbeitet", sagt Oliver Weimann von taxify24.
“Das maximale Desinteresse führte zu einem Vakuum”
Freitag, 4. März 2016VonAlexander Hüsing

Das Ruhrgebiet ist mehr als ein Lebensraum, für die Menschen zwischen Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen ist das Ruhrgebiet auch ein Lebensgefühl. Auch Start-ups erblühen im Pott, das bald komplett ohne Zechen auskommen muss, inzwischen vermehrt.

In unserem Themenschwerpunkt Ruhrgebiet beschäftigen wir uns ausgiebig mit Start-ups im schönen Revier – siehe auch “Ist das Ruhrgebiet die nächste Start-up-Hochburg?” und “10 % aller deutschen Start-ups sind in Rhein-Ruhr Zuhause“.

“Es ist im Ruhrgebiet deutlich einfacher Mitarbeiter zu binden”

Im Interview mit deutsche-start-ups spricht Oliver Weimann, Gründer der Steuerberater-Software taxify24, über Desinteresse .

Wenn es um Start-ups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Start-up-Standort?
Das Ruhrgebiet als Gesamtstandort verfügt über insgesamt 19 Hochschulen und eine gewachsene – leider etwas träge – Struktur aus Industriekonzernen und größeren Mittelständlern. Dieses Potenzial an Gründern, qualifizierten Arbeitskräften und erfahrenen Kooperationspartnern gilt es zu heben und eine Startup-Kultur zu etablieren. Als Ballungsraum mit einer der höchsten Bevölkerungsdichten Deutschlands bieten sich sehr heterogene (Test-)Märkte und Substrukturen, um Produkteinführungen kosteneffizient anzutasten. Daneben verfügt das Ruhrgebiet über eine gefühlt recht intakte Infrastruktur und sowohl Mitarbeiter als auch Bürokapazitäten stehen relativ günstig zur Verfügung.

Was macht speziell den besonderen Reiz der Startup-Szene in Essen aus?
Speziell die Stadt Essen hatte bislang den Aufbau einer Startup-Szene ziemlich verschlafen. Das maximale Desinteresse oder die Ressourcenknappheit der örtlichen Wirtschaftsförderung führte zu einem Vakuum, welches durch private Initiativen und die Hochschule aufgefüllt werden musste. Auch wenn dieser Prozess grundsätzlich viel Zeit gekostet hat und damit ggf. Potenziale verschenkt wurden ist zu beobachten, dass die aktive Szene mittlerweile aus vielen verschiedenen Köpfen besteht, weiterhin wächst und für 2016 mit einer Vielzahl neuer Ideen durchstarten will.

Was ist im Ruhrgebiet einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Es ist im Ruhrgebiet sicherlich deutlich einfacher Mitarbeiter längerfristig an das Unternehmen zu binden, da die Frequenz eingehender Abwerbeversuche deutlich geringer ist als bspw. in Berlin. Büroflächen stehen in der Regel kurzfristig zu Verfügung und auch die Personalsuche ist vergleichsweise unkompliziert. Auf der anderen Seite ist im Ruhrgebiet der Zugang zu Risikokapitalgebern deutlich schwieriger und auch das gegenseitige „Challenging” zwischen Startups untereinander findet nicht wirklich statt. Der Weg zu Partnerschaften in der digitalen Wirtschaft führt in aller Regel dann doch wieder über Berlin, Hamburg, Köln oder München. Sowohl die Aufmerksamkeit der Medien, als auch bestehende Founder-Circles fehlen und damit noch der Unterbau zum Aufbau eine Startup-Begeisterung bzw. Startup-Mentalität.

Was fehlt im Ruhrgebiet noch?
Wir sehen momentan eine ziemlich dynamische Entwicklung der gesamten Startup-Szene im Ruhrgebiet und erwarten in vielen Aspekten eine deutliche Verbesserung in 2016! Auf der einen Seite muss und wird intensiv an einem städteübergreifenden Netzwerk zwischen Startups gearbeitet. Initiativen wie FuckUp Nights, Startup-Nights.de sowie gewisse Meetup-Gruppen wachsen momentan exponentiell und ergänzen lokale Initiativen und politische Kampagnen wie beispielsweise start2grow. Sinnvoll wäre sicher auch ein Großevents, welches die Startup-Region Ruhrgebiet in den Fokus von Investoren und Konzerne rückt. Nicht steuerbar aber wünschenswert wären erste bzw. weitere Exits von Ruhrgebiets-Startups, um die Szene mit Geld, Knowhow und Kontakten anzureichern.

Passend zum Thema: “Start-ups aus dem Ruhrgebiet, die jeder kennen sollte” und “Ruhrgebiet = ‘persönlicher und nicht so oberflächlich’

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.