Malte Weiss von onapply

“Wer gründungsbegeistert ist, sollte ins Silicon Valley”

"Im Silicon Valley hat man die schöne Geschichte. Man ist da sehr viel mehr ein Verkäufer. Um das richtig hinzubekommen, hatten wir sogar zwei Coaches: Der eine war nur für die Story da, der andere für die richtige Präsentationstechnik. Wir haben das immer weiter verfeinert", sagt Malte Weiss von onapply.
“Wer gründungsbegeistert ist, sollte ins Silicon Valley”
Dienstag, 1. März 2016VonJan Tißler

Für drei Monate bekam das Startup onapply aus Frankfurt am Main die Chance, das Silicon Valley kennen zu lernen. Der German Accelerator hatte sie neben anderen eingeladen. Diese Institution holt mit Unterstützung der Bundesregierung mehrmals pro Jahr junge Unternehmen für drei bis sechs Monate aus Deutschland in die USA. Dort wartet dann aber keine touristische Rundreise, sondern ein eng gestecktes Programm mit zahlreichen Mentoren. Aber was kann man daraus für Deutschland lernen? Und wie ist das denn nun wirklich im Silicon Valley? Das und mehr haben wir Malte Weiss von onapply gefragt.

“Okay, gib mir deinen 10-Sekunden-Pitch”, sage ich zu Beginn des Gesprächs zu Malte Weiss und er muss erst einmal lachen. Im Silicon Valley ist es tatsächlich wichtig, so etwas jederzeit aus dem Ärmel schütteln zu können. Networking spielt eine große Rolle, wie ich selbst immer wieder feststelle. Da schüttelt man dann in ein oder zwei Stunden etliche Hände, stellt sich kurz vor und liefert seinen Mini-Pitch ab. Danach entscheiden die Gesprächspartner so pragmatisch wie abrupt, ob sie sich weiter unterhalten möchten oder sich mit einem „Nice to meet you“ davon machen – um die nächste Hand zu schütteln. Der berühmte Small Talk ist da gar nicht so sehr angesagt. Manchmal fühlt sich das eher an wie Speed Dating. Hat man sich einmal daran gewöhnt, ist das allerdings ungeheuer effektiv und interessant.

Also dann mal los: Was ist die kürzeste Version, onapply zu erklären?
In den USA sage ich so etwas wie: „onapply is HR software for non-HR people.“ Auf Deutsch und etwas ausführlicher erkläre ich das so: Es ist eine Bewerber-Management-Software, die jeder gern benutzt. Unsere Unternehmenskunden lieben die einfache Bedienung – ob sie nun 10 oder 10.000 Mitarbeiter haben. Dabei lassen wir die Bewerber selbst nicht außer acht: Eine Umfrage hat ergeben, dass 86% unser System besser finden als konkurrierende Angebote.

Wie man solche Pitches auf den Punkt bringt war Teil des Programms. Wie sah das konkret aus?
Die Sache ist: Man denkt, man hätte bereits Ahnung davon, wie das funktioniert. Aber in den USA hat man da einen anderen Stil. In Deutschland macht man das wie ein Berater und hat seine Folien voll mit Informationen. Im Silicon Valley hat man hingegen die schöne Geschichte. Man ist da sehr viel mehr ein Verkäufer. Um das richtig hinzubekommen, hatten wir sogar zwei Coaches: Der eine war nur für die Story da, der andere für die richtige Präsentationstechnik. Wir haben das immer weiter verfeinert. Zum Schluss sind wir unseren Pitch gar Wort für Wort durchgegangen.

Das klingt enorm streng. Hat euch das denn am Ende tatsächlich weitergebracht?
Ja, auf jeden Fall. In Deutschland würdest du so etwas neben dem Tagesgeschäft vorbereiten. In den USA konnten wir uns eine Woche darauf konzentrieren, die richtigen Worte zu finden, die Inhalte zu vereinfachen und die Story aufzubauen. Das hat uns sehr geholfen. Wir haben dabei überlegt: Was versteht unser Kunde oder unser Investor von dem, was wir machen?

Hat sich das letztlich auch auf euer Produkt ausgewirkt? Habt ihr es anhand dessen vielleicht sogar weiterentwickelt?
Ja, das war allein in den ersten zwei Wochen schon sehr intensiv. In Deutschland haben wir zwei Geschäftsmodelle: Wir sind zum einen im Stellenanzeigen-Großhandel aktiv und machen zum anderen das Bewerber-Management-System. In den USA haben wir gesehen, dass wir unsere Vision größer fassen müssen. Am Anfang dachten wir dabei noch, wir müssten etwas ganz Kompliziertes entwickeln. Letztlich haben wir uns darauf besonnen, dass wir die Bedienung möglichst einfach halten wollen. Im Grunde haben wir jede Menge Ideen entwickelt, um dann am Ende wieder auf die ursprüngliche Idee zurückzukommen. Das hat uns dann aber sehr bestärkt, weil wir eben über alles einmal nachgedacht hatten, was möglich wäre. Dass wir nun den Schritt auf den US-Markt wagen, ist dabei ein Ergebnis der zahlreichen Gespräche. Das hatten wir so vorher gar nicht geplant. Viele Mentoren waren aber derart begeistert von unserem Produkt und unserem Team, dass wir gemerkt haben: Es würde sich lohnen, dort etwas aufzubauen. 2016 werden wir das Unternehmen in Deutschland weiter ausbauen und im März oder April wieder im Silicon Valley sein. Wir wollen mehr Kunden generieren und uns ein solides Geschäftsmodell in den USA aufbauen.

Gibt es noch mehr, das ihr in dieser Zeit gelernt habt?
Ja, sehr viel. Der German Accelerator hat ein großes Mentoren-Netzwerk. Darin finden sich nicht nur Spezialisten für den Pitch, sondern auch solche, die sich nur mit dem Produkt auseinandersetzen, nur mit dem Marketing, nur mit der Technologie, nur mit den Investoren. so bekommt man aus jedem Bereich etwas mit. Was wir besonders gelernt haben, ist der amerikanische Enthusiasmus. Der ist einfach ansteckend. Selbst wenn man von seiner Idee selbst schon überzeugt ist, geht man aus so manchem Meeting noch einmal begeisterter heraus. Davon kann man sich in Deutschland wirklich eine Scheibe abschneiden. Bei uns nimmt man sich da sehr zurück und will bloß nicht zu viel versprechen. Das passiert in den USA natürlich. Es hat eben seine Vor- und Nachteile. Ebenfalls interessant für uns war, sich noch einmal in einer neuen Welt zurecht zu finden. In Deutschland haben wir uns ja schon etabliert, aber hier hatten wir noch einmal das Startup Feeling.

Stichwort Enthusiasmus: Was gibt es noch für kulturelle Unterschiede, die aufgefallen sind?
Es wird größer gedacht und das manifestiert sich in allem. Wir hatten ein Startup im gleichen Gebäude, das Funding bekommen hat, einfach weil das Team begeistert hat. Deren Idee fanden die Investoren gar nicht so gelungen, aber sie glaubten eben an die Mannschaft. Also haben sie denen Geld gegeben, um eine bessere Idee zu entwickeln. In Deutschland baut man eher auf solide Geschäftsmodelle – was ich persönlich übrigens sehr mag. Da geht es darum, schnell einen break-even point zu erreichen. Das Unternehmen soll sich selbst tragen. Auf der anderen Seite ist es so: Wenn man eine große Vision hat und schnell expandieren will, braucht man natürlich Investorengeld. Da habe ich gelernt: Es sollte ein gesunder Mix sein. Also einerseits ein solides Unternehmen aufzubauen, das nicht vollkommen von Investorengeldern abhängt. Aber andererseits nicht zu vergessen, etwas entwickeln zu wollen, das möglichst vielen Menschen das Leben vereinfacht.

Gibt es auch Dinge, die überrascht haben?
Eine Sache fand ich entmystifizierend: Die Leute haben nicht so verrückt gearbeitet, wie man das in Deutschland liest. Da wird dann darüber geschrieben, wie ein Gründer drei Tage durchgearbeitet hat. Aber die Wirklichkeit sah da nach meiner Erfahrung anders aus. Wir saßen in einem großen Office Space mit 80 Startups. Da habe ich gesehen, wie die Leute ganz klassisch „9 to 5“ arbeiten. Danach geht man „socializen“, also zum Beispiel noch was Essen mit Freunden und der Arbeitstag ist zu Ende. In meinem Freundeskreis zu Hause kenne ich es hingegen, dass man um 8 Uhr morgens anfängt und bis Mitternacht im Büro sitzt. Beides hat wiederum seine Vor- und Nachteile. Wenn man ein großes soziales Netzwerk hat, weil man auf vielen Events ist, kommt man sicherlich auch schneller an Geld beispielsweise. Zudem bekommt man viel mehr Feedback für das eigene Produkt. In Deutschland wiederum kann man dafür mehr an dem Produkt selbst arbeiten und versuchen, dadurch einen Vorsprung zu bekommen.

Was kann man denn nach eurer Erfahrung eigentlich aus dem Silicon Valley nach Deutschland mitnehmen?
Für mich sind das die viel professionelleren Startup-Strukturen. Produktentwicklung, Marketing und Sales werden hier enorm schnell professionialisiert. Das ist in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Wir haben zum Beispiel in unsere Produktentwicklung aufgenommen, viel Feedback von Kunden einzubeziehen. Was wollen die? Ist diese neue Funktion wirklich nützlich? Kommt das an? Kurz gesagt: mehr testen! Wir bringen dann zwar etwas auf den Markt, das noch nicht so perfekt ist, wie es in Deutschland sein müsste. Aber dafür bekommen wir Feedback. Das war eine Hauptlektion. Den schon genannten Enthusiasmus für eine größere Vision nehmen wir ebenfalls mit. Und mehr mit anderen über Ideen zu reden. Das ist ein wichtiger Teil, den man in Deutschland noch ausbauen kann. Was sind die nächsten Themen, womit beschäftigt sich die Welt? Da können wir viel von Silicon Valley lernen. Das Beeindruckendste war für mich, so viele kluge Gespräche in so kurzer Zeit zu führen.

Wie relevant ist denn das Silicon Valley als Vorbild für Deutschland? Sollten und könnten wir etwas Vergleichbares schaffen?
Wollte man so etwas wie Silicon Valley in Deutschland aufbauen, gäbe es aus meiner Sicht drei entscheidende Faktoren: das Netzwerk an klugen Leuten, die Investoren mit ihrem Geld und nicht zuletzt weniger Bürokratie. Das sind Dinge, die man nachmachen kann und sollte. Es wird natürlich schwer, ein vergleichbares Investorennetzwerk aufzubauen. Dort sind einfach viel mehr Gründer mit viel mehr Geld. Aber das hat sich auch im Silicon Valley über eine lange Zeit entwickelt. Weniger Bürokratie wünschen wir uns auf jeden Fall. Allein wenn ich an die Steuererklärung denke oder an die generellen Hindernisse auf dem Weg zur Firmengründung. Das muss einfacher werden. Das Netzwerken wiederum sollten wir auf jeden Fall nachmachen und den Austausch fördern. In Berlin mag das schon gut funktionieren, aber an anderen Orten wie bei uns hier in Frankfurt am Main ist das weniger gegebeben. Dafür werden wir uns auch selbst engagieren. Wenn wir unser Startup-Ökosystem genug fördern, dann werden daraus die Investoren geboren, die es im Silicon Valley schon längst gibt. Davon bin ich überzeugt.

Ist es denn für jeden ein Muss, einmal im Silicon Valley gewesen zu sein? Oder ist das doch eher eine Sache für eine spezielle Zielgruppe?
Wer gründungsbegeistert ist, sollte auf jeden Fall ins Silicon Valley. Natürlich hat uns der German Accelerator sehr geholfen. Aber es ist trotzdem wert, dort hinzugehen und sich diese Landschaft anzuschauen. Nicht zuletzt bekommtn man einen kleinen Blick in die Zukunft rund um Arbeitskultur oder auch Technik. Und allein vom Gründer-Spirit kann jeder nur lernen.

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Jan Tißler

Jan Tißler ist freier Journalist und einer der Herausgeber des UPLOAD Magazins. Der gebürtige Hamburger lebt inzwischen die meiste Zeit des Jahres in San Francisco und schreibt von dort über die Webwirtschaft, Startups und Consumer Electronics.