Jan Pohlkamp von Ambiendo

“Um sich zu profilieren, muss man andere Wege gehen”

"In Berlin sind die Wege kurz. Die Start-Up-Szene kennt sich untereinander. Man tauscht sich aus, man inspiriert sich. Allerdings gibt es auch die Kehrseite: Mittlerweile herrscht dort ein Gerangel um die besten Arbeitskräfte", sagt Jan Pohlkamp von Ambiendo.
“Um sich zu profilieren, muss man andere Wege gehen”
Dienstag, 2. Februar 2016VonAlexander Hüsing

Beim jungen Start-up Ambiendo, das bisher kaum in der Start-up-Presse in Erscheinung getreten ist, können Onliner Kissen, Bettwäsche und Badtextilien kaufen. Daniel Bleser, Thomas Kodura und Jan Pohlkamp schoben das Start-up, das in Telgte, also abseits der großen Start-up-Zentren des Landes residiert, vor rund zwei Jahren auf die Startrampe. Inzwischen arbeiten rund 12 Mitarbeiter für Ambiendo. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Ambiendo-Mitgründer Pohlkamp über Wohndesign, Entwickler-Teams und Lieferschnelligkeit.

Sie sind mit Ambiendo rund zwei Jahre im Markt aktiv und verkaufen Home- und Living-Produkte. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Mit dem Home- und Living-Bereich und dem E-Commerce treffen zwei sehr schnelllebige Branchen aufeinander. Zusammen mit dem hohen Wettbewerb war es daher von Anfang an sehr wichtig, sich diesem schnellen Strom anzupassen und sich ständig neu zu erfinden.

Wie genau haben Sie das bewerkstelligt?
Während sich der E-Commerce über neue Technologien, Nutzeranforderungen und Absatzkanäle ständig wandelt, sind es im Wohntextil- und Deko-Bereich vor allem die saisonal abhängigen, modisch getriebenen Produkte, dessen Veränderungen man sich stellen muss. Dank des Inputs der drei Gründer Daniel Bleser, Thomas Kodura und mir, deren Know-How aus den zentralen Bereichen beider Branchen stammen, konnten wir nach einer 18-monatigen Entwicklungsphase das Start-Up, den Shop so aufstellen, dass wir in dem Fahrwasser das Tempo direkt mitgehen konnten. Insbesondere ist es in dieser Mixtur aus Design, Wettbewerbsintensität und Technologie wichtig, Abgrenzungen zu schaffen. Mit einer Fokussierung auf hochwertige Wohn-Marken, ein entsprechendes Shop-Design sowie unseren Produktkonfigurator sind uns mit Ambiendo diese Abgrenzungen gelungen.

Wie sehr bzw. in welchen Punkten hat sich ihr Konzept seit dem Start verändert?
Vor zwei Jahren sind wir weitestgehend mit Marken aus dem Wohntextil-Segment gestartet. Hier konnten wir sehr schnell ein Markenportfolio aufbauen und unsere Kunden mit ansprechenden Produkten und Marken überzeugen. Der Weg führte uns jedoch relativ zügig in den dekorativen Hardware-Bereich.

Was genau meinen Sie damit?
Ob Designer-Vasen, exklusives Porzellan oder innovative Funktionsprodukte sind mittlerweile eine essenzieller Bestandteil unseres Sortimentes. Wir haben in den letzten zwei Jahren den Drive hin zu ganzen Raumkonzepten geschaffen. Der Kunde kann bei Ambiendo jeden Bereich seines Zuhauses mit unseren Wohndesigns dekorieren, ergänzen und verschönern. Dieser Prozess ist jedoch noch längst nicht abgeschlossen.

Was planen Sie?
Nächste Schritte sind etwa hochwertige Lampen und Teppiche. Wer bereit ist, für Qualität und Design auch mal etwas mehr auszugeben, soll bei Ambiendo für jedes Zimmer und für jeden Anlass die passenden Wohn-Accessoires finden. Parallel mitentwickeln werden wir auch weiterhin das Konfigurator-Konzept. Auch hier wollen wir das Produktportfolio, welches sich der Kunde individualisieren kann, weiter ausbauen. Ein letzter wichtiger Punkt ist die Shop-Entwicklung.

Wie gehen Sie dieses wichtige Thema an?
Mittlerweile haben wir uns von der Zusammenarbeit mit Agenturen verabschiedet und uns ein eigenes Entwickler-Team aufgebaut. Das verschafft uns größere Flexibilität und mehr Einfluss hinsichtlich des Time-to-Market; bei Agenturen blockiert den Projekterfolg oftmals, dass zu viel auf Standards und bewährte Prozesse gesetzt wird, aber sich zu wenig auf den Kunden und Innovationen eingelassen wird. Hier im Entwickler-Team weiß jeder, wofür Ambiendo steht und welche höheren Ziele hinter der Entwicklung einzelner Features stehen. So etwas kann man nur schwer outsourcen.

Home und Living ist seit einigen Jahren ein Riesenthema im Markt. Wie nehmen Sie den Markt und Konkurrenten wie Home24 oder WestWing wahr?
Der Konkurrenzkampf ist ohne Zweifel hoch. Um sich dennoch zu profilieren, muss man andere Wege gehen. Der Konfigurator ist bei Ambiendo eins dieser Elemente. Von Anfang an wollten wir den Kunden nicht nur mit Produkten begeistern, bei denen er durch eine kurze Shopping-Suche auf Google direkt 20 Anbieter findet.

Was bietet der Konfigurator Ambiendo-Kunden?
Bei Ambiendo bekommt der Kunde mit dem Konfigurator die Möglichkeit, sich für bestimmte Wohnsituationen individuelle Lösungen zu schaffen. Das gleiche gilt aber auch für neue, noch relativ unbekannte Designer-Marken, die noch nicht im Fokus der Platzhirsche sind. Hier arbeiten unsere Produktscouts sehr effizient. Zuletzt existiert aber auch im umkämpften Home- und Living-Markt ein Longtail-Bereich, in dem man sich seine Nischen erarbeiten kann. Wir haben eben auch Produkte dabei, mit der wir bewusst nur ganz bestimmte Personengruppen ansprechen wollen, aber nicht die breite Masse.

Viele große E-Commerce-Anbieter sitzen in Berlin. Ambiendo ist im Münsterland zuhause. Ein Vor- oder Nachteil?
Sowohl als auch. In Berlin sind die Wege kurz. Die Start-Up-Szene, insbesondere die E-Commerce-Szene kennt sich untereinander. Man tauscht sich aus, man inspiriert sich. Allerdings gibt es auch die Kehrseite: Mittlerweile herrscht dort ein Gerangel um die besten Arbeitskräfte. Start-ups sind häufig nur eine Nummer, die entweder subventioniert schnell nach oben kommt, oder aber ohne Notiz direkt wieder verschwindet. Insgesamt verschwindet man dort in der breiten Masse an guten Ideen. Ähnlich entwickelt es sich auch bereits in Hamburg und München.

Und wie sieht es bei ihren im Müsterland aus?
In Münster ist die Aufmerksamkeit für die einzelne Idee eine andere. Man erhält dadurch deutlich mehr Unterstützung. Die nicht zu große, sehr lebenswerte Stadt ist nicht überrannt von IT-Unternehmen auf der Suche nach exzellenten Arbeitskräften. Sehr gutes Personal ist schnell zu finden. Zudem hat Münster eine hervorragende Uni, deren Absolventen gerade im Bereich Wirtschaft und Informatik zu den Besten in Deutschland zählen. Nicht zuletzt ist die Kostenstruktur einfach eine andere als in der Großstadt. Daher fühlen wir uns in Münster nicht falsch aufgehoben. Zumal die Kontakte in die Berliner Szene auch so bestehen, ohne selbst vor Ort zu sitzen. Dem User auf ambiendo.de oder dem Lieferanten anspruchsvoller Wohnprodukte ist dann aber letztendlich sowieso egal, wo der Shop seinen Sitz hat. Und wer gerne das Thema „Lieferschnelligkeit“ anführen möchte: Mit Ausnahme von deutschen Inseln liefern wir deutschlandweit bei Warenverfügbarkeit innerhalb von 24 Stunden an unsere Kunden. In die europäischen Länder sind es 2 bis 3 Werktage. Auch das ist im Münsterland möglich.

Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Die Branche ist saisonal relativ schwankend. Während im Sommer die umsatzmäßig schwächste Zeit ist, geht ab Oktober die Post ab. Das Wetter wird ungemütlicher, der Advent, Nikolaus und natürlich Weihnachten rücken näher. Wir wussten, dass der Anstieg kurz vor Weihnachten ordentlich sein wird. Allerdings sind wir in unseren beiden bisherigen Weihnachtsgeschäften von der Stärke des Anstiegs dann doch etwas überrascht worden. Die letzten Wochen in 2015 haben schlichtweg nochmal alle Erwartungen übertroffen. Da ist es schwer, als Start-up seine Prozesse direkt so perfekt skalieren zu können, dass solche sprunghaften Entwicklungen zu bewältigen sind. Daher haben wir denke ich noch einiges an Potenzial liegen lassen. Wir arbeiten nun seit Jahresbeginn daher noch stärker an der Effizienzsteigerung unserer Kernprozesse, um zum Beispiel unsere Server, Kundenservice und die logistische Abwicklung zum nächsten Weihnachtsgeschäft relativ beliebig skalieren zu können.

Und wo haben Sie Ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?
Genauso wichtig wie die Geschäftsidee ist meines Erachtens, wer die Idee zusammen verwirklicht. Mit Daniel Bleser, Thomas Kodura und mir sitzen drei Gründer zusammen, die zum einen menschlich miteinander können, zum anderen aber auch eine gutes Konstrukt aus eingebrachtem Know-How bilden. Thomas Kodura kennt sich seit Jahren in der Home- und Living-Branche aus. Er hat sich bereits durch die gesamte Wertschöpfungskette gearbeitet und weiß, wie die Branche tickt. Er hat ein Gespür für die zukünftigen Wohntrends und kann das an unsere Produktscouts weitervermitteln. Daniel Bleser ist unser Spezialist für eine nachhaltige Prozessoptimierung – ob Logistik, IT oder Einkauf. Er hat als Gründer bereits ein E-Commerce Start-Up zu einem guten zweistelligen Millionen-Umsatz geführt. Seine Erfahrung ist daher Gold wert, um technische oder logistische Ausrichtungen direkt so aufzusetzen, dass Sie als ideale Ausgangslage für starkes Wachstum dienen. Ich betreue die Themen der Shop-Entwicklung und des Marketings. Diese beiden Kernbereiche des eCommerce verfolge ich bereits seit meinem Studium.

Wo steht Ambiendo in einem Jahr?
Bei Ambiendo verfolgen wie einen diversifizierten Marketing-Mix – eine Kombination aus vielen Onlinemarketing-Kampagnen und einzelnen, zielgruppenaffinen Offline-Kampagnen. Dadurch erreichen wir Kunden an vielen verschiedenen Touchpoints und gelangten seit Go-Live unseres Shops schnell in den Fokus unserer Zielgruppen. Die Kunst ist es jedoch, die in Marketingaktivitäten vermittelte Attraktivität dann aber auch im Onlineshop weiter aufrecht zu erhalten. Durch eine reduzierte, sehr einfache Navigation verbunden mit der konsequenten Umsetzung stilistischer Mittel zur Darstellung unseres hochwertigen Produktportfolios konnten wir bereits von Anfang an eine gute Conversion Rate erzielen. Insgesamt ist unser Pool an noch umsetzbaren Ideen – ob im Produktportfolio oder auch im Shop oder Marketing – noch lange nicht erschöpft. Diese Potenziale werden wir in den nächsten Monaten konsequent abarbeiten und umsetzen, so dass Ambiendo für den potenziellen Kunden unserer Ansicht nach in einem Jahr noch deutlich attraktiver werden wird.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.