Oliver Holle im Interview

Speedinvest = der größte private Seed-Fonds Österreichs

Bereits der erste Fond von Speedinvest hatte Signalwirkung für die VC-Landschaft in Österreich. Der zweite, deutlich höheren Fond, bleibt für Österreich jedoch beispielhaft. "Hilfreich war sicherlich auch, dass in Österreich die Awareness für das Thema Start-ups im letzten Jahr stark gestiegen ist."

Fernab aller Sisi-Klischees und Alpenromantik boomt in unserem Nachbarland Österreich die Start-up Szene. Täglich wagen Gründer den Schritt in die Selbständigkeit und bringen neue und interessante Businessmodelle online. Über dieses und vieles mehr berichten wir regelmäßig in unserem Themenschwerpunkt Österreich.

Österreichische Gründer haben es zeitweise nicht immer leicht. Auf der Suche nach Kapital bleiben Gründern zur Finanzierung häufig nur Investoren und VCs aus dem Ausland übrig. Denn so agil die österreichische Start-up Szene derzeit agiert, so wenig Risikokapital steht weiterhin zur Verfügung. Bis jetzt! Denn nach einem ersten, erfolgreichen Fond mit hoher Signalwirkung legte Speedinvest nun einen zweiten, sehr viel höheren Fond auf. “Hilfreich war sicherlich auch, dass in Österreich die Awareness für das Thema Startups im letzten Jahr stark gestiegen ist”, sagt Oliver Holle von Speedinvest.

Speedinvest sammelte einen Betrag von insgesamt 90 Millionen Euro ein. Woher stammt dieses Kapital?
Das Kapital stammt von Corporates, privaten Stiftungen, UnternehmerInnen und GründerInnen, einem institutionellen Geldgeber (Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (AWS), die Förderbank des österreichischen Bundes) und dem US-Fonds New Enterprise Associates (NEA). NEA, der größte Venture Capital Fonds der Welt, der unter anderem an Salesforce, Cloudflare und Uber beteiligt ist, investierte 5 Millionen Euro direkt in den Fonds und reservierte weitere 50 Millionen für Wachstumsfinanzierungen in die Top-Startups aus dem Speedinvest Portfolio.

Besonders stolz ist Speedinvest, erfolgreiche österreichische Startup UnternehmerInnen als InvestorInnen gewonnen zu haben, so etwa GründerInnen von Paysafecard, Gentics, Wikidocs, Blue Tomato, Dynatrace, Runtastic und Shpock. Bis zum erfolgreichen Verkauf des Startups war Shpock selbst Teil des Speedinvest Portfolios. Des Weiteren stoßen das deutsche IT Unternehmen Allgeier Gruppe, die Püspök Gruppe, die Heinzel Group und die Gebrüder Weiss dazu, die seit einigen Jahren an Corporate Innovation im digitalen Bereich arbeiten und dadurch noch näher an das Startup Geschehen heranrücken.

Weitere prominente UnternehmerInnen bzw. Top ManagerInnen, die sich in der InvestorInnenliste wiederfinden, sind Andreas Bierwirth, Niko Alm, Hermann Hauser, Harti Weirather (WWP), Alfred Autischer und Oliver Auspitz.

Wie viele Altinvestoren sind weiterhin mit an Bord, wie viele neue konnten gewonnen werden?
Rund die Hälfte der AltinvestorInnen ist wieder mit dabei. Insgesamt sind nun mehr als 100 Personen/Unternehmen in Speedinvest 2 investiert.

Mit welchen Argumenten konnten diese überzeugt werden?
Die AltinvestorInnen sowie auch die neu gewonnenen GeldgeberInnen waren von der bisherigen Performance des ersten Fonds überzeugt. Darüber hinaus konnte das Speedinvest Team mit der Vision zur Entwicklung von Speedinvest und der Startupszene in Zentraleuropa in Verbindung mit seinem US-Büro großes Interesse wecken. Hilfreich war sicherlich auch, dass in Österreich die Awareness für das Thema Startups im letzten Jahr stark gestiegen ist.

Mit New Enterprise Associates (NEA) stehen weitere 50 Mio. Euro in Reserve. Unter welchen Voraussetzungen wird dieses Geld abgerufen?
Dazu muss das Startup in seiner Entwicklung – insbesondere Umsatz und Skalierung den Anforderungen von NEA entsprechen. Ist dies der Fall beteiligt sich der Fonds direkt in den Wachstumsrunden (Series A und aufwärts).

Speedinvest fährt mit dem Modell „Work for Equity“ ein ganz besonderes Modell. Wird sich dieses das Modell mit der Kapitalerhöhung ändern, bzw. muss sich Speedinvest als Unternehmen ändern?
Work for Equity bedeutet, dass das Speedinvest Team einen Gutteil seiner Arbeitszeit für operative Arbeit in den Portfolio Unternehmen zur Verfügung stellt. Zumeist drehen sich diese Aufgaben um Bereiche, in welchen die GründerInnen noch selbst wenig Erfahrung haben, etwa internationales Business Development, Aufbau einer US Kundenbasis (via Speedinvest’s Team im Silicon Valley) oder Fundraising. Im Erfolgsfall erhält Speedinvest durch diese Arbeit zusätzliche Anteile, in jedem Fall arbeitet man Seite an Seite mit dem Gründer und lernt sich und das Geschäft im Detail kennen.

Das erfordert in Zukunft natürlich auch größere Ressourcen: So arbeiten bei Speedinvest inzwischen insgesamt 12 PartnerInnen, also ein Vielfaches von vergleichbaren Venture Fonds. Bei Speedinvest 1 bestand das Team insgesamt aus 8 Personen, inzwischen sind wir 18 MitarbeiterInnen.

Welchen Stellenwert wird diese Summe innerhalb der österreichischen Kapitallandschaft einnehmen?
Mit dieser Summe sind wir der größte private Seed-Investmentfonds der in Österreich bis dato geraised wurde.

Welche Signalwirkung erwarten Sie durch den Fond, z.B. internationale VCs, weitere private Fonds etc, für die österreichische Start-up Landschaft?
Die Signalwirkung entsteht vor allem durch Erfolgsgeschichten von Startups wie Runtastic und Shpock. Mit unserem Fonds wollen wir ein Zeichen setzen, dass auch die Szene rund um Wien mehr und mehr an Fahrt aufnimmt und international wettbewerbsfähig ist. Der beste „Beweis“ dafür sind natürlich Follow-On Finanzierungen von internationalen Top-Investoren. Ein ganz klares Ziel ist es internationale Unternehmen aus Österreich, bzw. der Region heraus zu bauen.

In welche Unternehmen wird das Geld künftig fließen, werden sich die Kriterien für ein Investment ändern? Welche sind das?
Speedinvest setzt weiterhin auf die Bereiche Finanztechnologie und digitale Kerntechnologien („Deep Tech“) sowie ausgewählte digitale Geschäftsmodelle in der Kategorie E-Commerce und Medien. Der Schwerpunkt wird auf die Seed Phase gelegt, pro Jahr sollen 10 – 15 Neuinvestments mit einer Durchschnittssumme von 500.000 EUR umgesetzt werden. Mit dem neuen Fonds kann nun auch die oft diskutierte Finanzierungslücke bei Startups in späteren Phase geschlossen werden. Bis zu drei Millionen Euro kann Speedinvest hier je Investment Case investieren.

Bislang investiert Speedinvest vor allem in AT und D. Wird sich mit der Kapitalerhöhung auch der Suchradius nach möglichen Investments verändern?
Ja, wir wollen ein paneuropäischer Fonds sein. Der geografische Fokus liegt auf Zentraleuropa, wobei Speedinvest in seinen Stärkefeldern (Fintech, Deep Tech, Consumer) auch in ganz Europa aktiv ist. Von den 14 Investments, die wir heuer bereits getätigt haben, befinden sich 4 in Österreich, 3 in Deutschland und der Rest über ganz Europa verstreut.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Fondhöhe und einem wachsenden Erfolg österreichischer Start-ups wie Shpock oder Runtastic?
Ja, durch die beiden großen Erfolgsgeschichten bekommt das Startup Ökosystem seine wohlverdiente Aufmerksamkeit und wird nun auch in den klassischen Medien aufgegriffen. Das erleichtert Fundraising und Business Development.

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Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.