15 Fragen an Eve Büchner

“Ich sitze gerne in Potsdam und schaue den Hühnern zu”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Eve Büchner von Refund.me.
“Ich sitze gerne in Potsdam und schaue den Hühnern zu”
Freitag, 27. November 2015VonChristina Cassala

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Ich kann mich gut anpassen, aber schlecht unterordnen. Hinzu kommt die Lust am Risiko. Wichtig sind die Freiheit und die Emotionen, in denen Visionen geboren werden. Die Exekution, das Companybuilding ist dann die Kür.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Ich habe nach einer Idee gesucht, die es international betrachtet noch nicht gab. Unsere Mission war zunächst „Claim your right – we bring passenger rights to the people“. Heute settlen wir mit über 340 Airlines in ganz Europa, Indien, Israel. Unsere Kunden kommen aus über 140 Ländern. Die GmbH macht heute das klassische operative EU 261 Geschäft. Mit der refund.me Group, Inc. bewegen wir uns im Fintech-Bereich.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Hauptsächlich von US-amerikanischen Business Angels.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Unser weltweiter Ansatz verlangte, dass wir in den diversen Märkten gleichzeitig kommunizieren mussten. Das war kapitalintensiv und komplex, aber der Erfolg zahlt sich heute aus. Es war eine große Herausforderung, Teams rund um den Globus miteinander zu vernetzen: Wir arbeiten bei refund.me weitgehend cloudbasiert mit vielen Büros und Mitarbeitern, die je nach Bedarf von überall aus der Welt arbeiten können. Das internationale Anwaltsnetzwerk aufzustellen war auch ein Kraftakt.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Wir haben uns zum Start stark auf den B2C-Bereich konzentriert. Mittlerweile ist der B2B-Bereich wichtiger.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
PR und SEO, SEM. Ich fand es immer schade, dass die meisten PR-Experten kaum Interesse am SEO hatten. Pressearbeit ist ein wichtiger Bestandteil.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Meine Großmutter hat mir immer gesagt:“ Du musst versuchen, die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Im Kleinen fängt es an.“ So bin ich geprägt und ihre Worte hallen nach. Und ganz praktisch: meine Steuerberater und unser Anwalt in Menlo Park.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Let`s do it, Trial and Error und Anpassung. Wer international gründet, muss sich mit den Begebenheiten der verschiedenen Märkte auseinandersetzen können.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Wir haben in Potsdam sechs Monate gebraucht, um eine GmbH ins Register einzutragen. Ich würde mir nicht wünschen, dass es wie in den USA mit einem Klick passieren sollte, aber eine Woche hätte es auch getan. Einen viel grösseren Wunsch hätte ich an den europäischen Justizminister, den es ja bezeichnenderweise nicht gibt! Eine Vereinheitlichung der nationalen Rechtsprechung aller europäischen Länder wäre sicher hilfreich. Die europäischen Fluggastrechte sind zwar eine feine Sache, werden aber in den einzelnen EU-Staaten vollkommen unterschiedlich angewandt. Fair ist das für die Passagiere nicht, wenn sie in Deutschland ihr Geld normalerweise schnell erhalten, hier wurden Urteile erstritten. In Spanien, Frankreich oder Italien können sie nur gegen größte Hindernisse ihr Glück versuchen.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Ich würde eins gründen. Wir haben gerade die Beta-Software für ein 4. Unternehmen fertiggestellt. Suche noch nach einem guten Brandnamen.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Ich war bei Facebook in Menlo Park und so angetan von der Arbeitsweise, dem Support den Angestellte bekommen und der visionären Herangehensweise mit dem man bei Facebook Projekte zu Erfolgen macht. Hier würde ich gern mal einen Tag mehr verbringen.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
In die nahe Zukunft, um zu sehen, ob die Welt tatsächlich ein wenig besser geworden ist.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Materiell und privat bin ich wunschlos glücklich. Da wir diverse Projekte parallel umsetzen, würde ein erheblicher Teil wohl dahin wandern.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Mit meinen Söhnen und meinem Partner. Nach Möglichkeit in Palo Alto und Menlo Park, wo wir den Unternehmenssitz der refund.me Group, Inc. haben. Die Gegend ist fantastisch: Pazifik, Berge, Skigebiete, Red Woods, die ich so liebe – alles mit einem Katzensprung erreichbar. Mal ganz abgesehen vom business drive. Ich sitze allerdings auch gerne in Potsdam unterm Apfelbaum und schaue meinen vier Hühnern und dem Hahn zu.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit unserer Kanzlerin. Big Fan.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Eve Büchner war bis 2010 Moderatorin verschiedener TV-Formate. Seit 2007 ist sie zudem unternehmerisch tätig. 2012 gründete sie refund.me, einen Entschädigungsdienstleister, der Flugpassagieren bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber Airlines hilft. 2011 gründete Büchner die Venture Capital Gesellschaft quantumReality GmbH. Das Unternehmen tätigt vor allem Seed-Investments und unterstützt Start-ups in den Bereichen E-Commerce Strategie, Software-Entwicklung und IPR in Form von Patenten. Zu Beginn ihrer unternehmerischen Karriere, 2007, gründete die studierte BWLerin und Journalistin switch.me.

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Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.