Gastbeitrag von Paul Schweidler

Digital Innovation Model: Von der Idee zum Konzept

Das D-Model lässt sich zwischen Scrum, Design Thinking und agiler Entwicklung einordnen. Von der Anwendung erinnert es an Business Model Canvas. Es lässt sich exzellent in andere Tools integrieren. Beispielsweise um im Design Thinking Prozess in den Iterationsschleifen mehr zu erreichen.
Digital Innovation Model: Von der Idee zum Konzept
Dienstag, 17. November 2015VonTeam

Die meisten von Ihnen werden die aktuell angesagten Events mit hippen Namen wie „Creative Think-Tank Brunch“ oder „After Hackathon Weekend Get Together“ kennen. Im Frühjahr 2014 wurde ich wieder einmal selbst zu so einem Event eingeladen – und zwar von Stephan Preuss, der zur „Digital Innovation Night“ aufrief. Von der Vorstellung eines neuen Tools zur Entwicklung digitaler Innovationen war die Rede. Mit den Stichwörtern „Digital“ und „Night“ im Event-Titelspürte man die heiße Luft schon förmlich den geübten Riecher des Branchenkenners umspielen – oder?

Der Keller der Erkenntnis

Im Souterrain eines kleinen Restaurants trafen so ein Dutzend Leute aus klassischer und digitaler Wirtschaft zusammen. Auf Beamer, Banner und Bastelecke wurde verzichtet, stattdessen lag im Dämmerlicht neben dem Buffet ein Stapel spärlich bedruckter DIN-A3-Bögen. Binnen 60 Minuten sollte an diesem Abend ein neues digitales Angebot entwickelt werden. Waffe der Wahl: pro Team eines jener A3-Papiere, bedruckt mit dem Anlass der Zusammenkunft: Die Beta-Version des Digital Innovation Models (kurz D-Model).  Oder besser: eine Anleitung zu dessen Durchführung.

Vorweg: die Arbeit mit dem (inzwischen der Beta entwachsenen und im Buch „Digital Innovation Model – Software planen, die Nutzer lieben“ manifestierten) Tool macht nicht nur sehr viel Spaß, sie geht vor allem unglaublich schnell! Innerhalb der vorgegebenen 60 Minuten sausten wir durch neun gut nachvollziehbare Schritte zum Ziel, sezierten dabei erst den Nutzer, dann den Nutzen und zum Schluss die Geschäftsmodellierung. Am Ende hatte unser – auf diesem Gebiet durchaus als erfahrungsheterogen zu bezeichnendes – Team ein neues digitales Vermarktungsmodell für Mietwohnungen entwickelt. Mit einem groben Geschäftsmodell, mehreren Ideen für die Nutzeroberfläche und integriertem viralen Effekt. Klar, wir hatten ein bisschen methodisches Backup von Stephan Preuss, was uns die halbe Stunde fürs erste Verstehen gespart hat. Aber selbst dann: Wann haben Sie das letzte Mal innerhalb der Dauer eines Fußballspiels eine digitale Innovation entwickelt, die nicht völlig unsinnig war?

Wie funktioniert das Digital Innovation Model?

Um Innovationen zu Entwickeln und neue Angebote zu schaffen, gibt es mittlerweile tonnenweise Tools, Techniken, Methoden, Dogmen und Prozesse. Das D-Model bietet dazwischen einen einfachen und schnell erlernbaren Weg im Dschungel digitaler Produktentwicklung. Es legt einen stark nutzerzentrierten Fokus auf das Thema und hilft, Features und Geschäftsmodell rund um den Anwender zu konstruieren – anstelle anders herum. Der Weg zum glücklichen Nutzer (und erfolgreichen Product Owner) besteht im D-Model aus neun Schritten.

  1. Am Anfang steht das Ziel. Was soll mit der digitalen Lösung erreicht werden?
  2. – 4. Was sind unsere erfolgversprechendsten Nutzer und über welche Bedürfnisse sind diese gut zu adressieren?
  3. – 7. Was erleben Nutzer, was macht sie beim ersten Benutzen glücklich und was hält sie auf Dauer beim Produkt?
  4. – 9. Welche äußeren und inneren Einflüsse entscheiden über einen (wirtschaftlichen) Erfolg oder könnten zum Scheitern führen?

Zum Schluss ist meistens aus einer ersten Idee ein belastbares Konzept geworden, das in einen ersten Prototyp überführt werden kann.

Für wen ist das D-Model geeignet?

Einerseits kann man als digitaler Profi im Projektmanagement gut von der schnellen Anwendbarkeit profitieren und sollte es unbedingt in den eigenen Methodenkoffer integrieren. Zum anderen – und hier liegt meiner Ansicht nach die wirkliche Stärke – hilft es Experten anderer Fachbereiche dabei, zeitgemäße Produktentwicklung besser zu verstehen und anzuwenden. Die nutzerzentrische Herangehensweise und die bis ins letzte Detail durchdachte Schrittfolge formen ein, meines Wissens, einzigartiges Handwerkszeug, um in interdisziplinären Teams schnell zu guten Ergebnissen zu kommen.

Wo findet das D-Model Platz?

Gefühlt ordne ich das D-Model für mich irgendwo zwischen Scrum, Design Thinking und agiler Entwicklung ein. Von der Anwendung erinnert es stark an Osterwalders Business Model Canvas. Es lässt sich exzellent in andere Tools integrieren. Beispielsweise um im Design Thinking Prozess in den Iterationsschleifen mehr zu erreichen oder um von einer einzelnen Idee massenhaft validierbare Prototypen zu formen.

Was ist das D-Model nicht?

Es ist nicht das Tool für den leeren Raum. Bevor man mit dem D-Model ansetzt, sollte man bereits eine oder mehrere grobe Ideen haben, die damit geformt werden können. Ein bisschen wie eine Drehbank, die aus entsprechenden Rohlingen tolle Dinge formt, mit den falschen oder fehlenden Rohlingen aber nichts Brauchbares hervorbringt.

Fazit

Der Buchtitel „Digital Innovation Model – Software planen, die Nutzer lieben“ verspricht romantische Anwendergefühle für Ihre Software. Ich denke, dass nach einer Kur mithilfe des klar strukturierten und praxisnahen Ansatzes wirklich jedes noch so übergewichtige, unförmige oder ungeliebte Digitalprodukt der begehrten Nutzerschaft beruhigt Avancen machen kann. Und für alle anderen ist es die extra Runde gedankliches Fitnessstudio, die sie vor einer falschen Produktentwicklung bewahrt hat.

Das Buch ist über Amazon erhältlich. Das Arbeitsposter gibt es unter www.digitalinnovationmodel.de kostenfrei zum Download.

Zur Person
Paul Schweidler ist als Grafik-Designer und Experte für UX bei den Ideeologen an der Seite von Dr. Jens-Uwe Meyer für die Entwicklung digitaler Produkte zuständig.

Foto: Colours of Life from Shutterstock