Gastbeitrag zum Anti-Angel-Gesetz

Ein Pfeil mitten ins Herz der Gründerkultur in Deutschland

Was sich vordergründig nach einer Steuer für ältere, reiche Unternehmer anhört, ist in Wahrheit ein Pfeil mitten ins Herz der aufkommenden Gründerkultur in Deutschland. Konkret will das BMF die Investitionsgesellschaften stärker belasten, in denen die Gründer und Business Angels ihre Anteile bündeln.
Ein Pfeil mitten ins Herz der Gründerkultur in Deutschland
Freitag, 31. Juli 2015VonTeam

Als wir mit einer Gruppe von Gründerinnen und Gründern vor der letzten Bundestagswahl zum Abendessen an einem Tisch mit Bundeskanzlerin Merkel sassen, fragte sie in die Runde, wie wir es schaffen könnten, dass weltweit führende Internet Unternehmen wie Google, Facebook oder Apple auch in Deutschland gegründet würden. Die einhellige Meinung dazu war: Start-Up Unternehmer und deren Investoren müssen unterstützt werden. Wir brauchen eine Digitale Agenda für die Bundesrepublik Deutschland! Frau Dr. Merkel stimmte dem ausdrücklich zu und die Formulierung der digitalen Agenda schaffte es sogar in den Koalitionsvertrag mit der SPD.

Nicht einmal zwei Jahre später legt das Bundesfinanzministerium nun aber einen Diskussionsentwurf vor, der die junge Gründerszene in Deutschland in den Grundfesten erschüttert: Man möchte gezielt Beteiligungen von Business Angels stärker besteuern, die Start-Ups in der Frühphase unterstützen – siehe “Anti-Angel-Gesetz – schon wieder! – Gesetzesentwurf entzieht dringend benötigtes Kapital“. Was sich vordergründig nach einer Steuer für ältere, reiche Unternehmer anhört, ist in Wahrheit ein Pfeil mitten ins Herz der aufkommenden Internet-Gründerkultur in Deutschland.

Konkret will das BMF die Investitionsgesellschaften stärker belasten, in denen die Gründer und Business Angels ihre Anteile bündeln. Gewinne aus Investments in Start-Ups wurden in diesen Gesellschaften bisher steuerlich privilegiert, solange der Erlös wieder re-investiert wurde. Diese Privilegierung macht Sinn: Erfolgreiche Erlöse werden zurück ins System gegeben und dadurch entsteht mehr Innovation, mehr Arbeitsplätze und am Ende mehr Steuereinnahmen.  Sobald die Gründer oder Business Angels ihre Gewinne aus der Investitionsgesellschaft herausschaffen wollen, um sich Häuser oder Konsumgüter zu kaufen, fällt die Kapitalertragssteuer von 30% an. Dieses System hat sich absolut bewährt und in der florierenden Gründerszene gehört es zum guten Ton einen Großteil der Erlöse eines Börsengangs oder Verkaufs in die nächste Gründergeneration zu investieren.

Diesen positiven Trend möchte ausgerechnet die CDU und Herr Schäuble jetzt ändern. Die Gründer und Business Angel sollen in ihren Investitionsgesellschaften mit 30 % Steuern direkt beim Verkauf von Aktien belastet werden, falls der Aktienanteil am Unternehmen weniger als 10 % beträgt und sogenannter “Streubesitz” ist. Da so gut wie jede Beteiligung eines Business Angels unter 10 % ist und sogar viele Gründer und Frühphasenmitarbeiter weniger als 10 % der Firma halten, kommt es jetzt zu einem massiven Entzug von Kapital aus dem System. Es wird sich ab jetzt nicht mehr lohnen den Erlös aus dem Verkauf seiner Firma in die nächste Generation zu investieren. Und es kommt sogar noch schlimmer! Alle Gründer und Business Angels werden rückwirkend bestraft ihre Anteile in den Investitionsgesellschaften zu halten, da sie doppelt besteuert würden: Einmal beim Verkauf der Aktien und einmal mit der Kapitalertragssteuer, sobald die Gewinne ausgeschüttet werden.

Die Bundeskanzlerin und die Koalition fordern zurecht eine digitale Agenda für Deutschland. Sie fordern zurecht, dass die nächsten Googles, Facebooks und Apples auch hierzulande aufgebaut werden sollten. Dies ist die Herkulesaufgabe der jungen Unternehmer in Deutschland und daran arbeiten wir jeden Tag mit großem Enthusiasmus.

Es ist aber die Aufgabe der Bundesregierung die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass dies passieren kann. Mit dem jetzigen Diskussionsentwurf werden wir unsere Internet Start-Up Kultur im Keim erwürgen, nur um kurzfristig vergleichsweise geringe Steuereinnahmen zu generieren. Ich würde mir sehr wünschen, dass Herr Schäuble und Frau Merkel zu ihrem Wort und zum Koalitionsvertrag stehen und die Gründer in Deutschland tatkräftig unterstützen. Es ist in unser aller Interesse einen starken Internet- und Technologie-Standort aufzubauen, damit die nächsten großen New Economy Unternehmen nicht nur aus Silicon Valley, London oder Beijing kommen, sondern auch aus Berlin, München und Hamburg.

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Zur Person
Johannes Reck ist Mitgründer und Geschäftsführer von GetYourGuide, einer Buchungsplattform für touristische Zusatzdienstleistungen.

Foto: long exposure on road at night from Shutterstock