Domainklau und mehr

Vertragslotse und Aboalarm liegen im harten Clinch

Vertragslotse vs. Aboalarm. Es geht bei diesem total unnötigen Streit um eine Domain, eine Marke, Provokationen und Gespräche, die angeblich beide Seiten wollen, aber die jeweils andere Seite nicht. Klingt insgesamt nach einer ziemlich festgefahrenen Sache, bei der sich beide Seiten im Recht fühlen.
Vertragslotse und Aboalarm liegen im harten Clinch
Freitag, 10. April 2015VonAlexander Hüsing

Eine Geschichte aus der Kategorie: Muss einfach nicht sein! Das Berliner Start-up Vertragslotse, eine Art digitaler Vertragsassistent, erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen seinen Wettbewerber Aboalarm – siehe dazu auch “Erster Paukenschlag im Streit mit Aboalarm“.

Der Münchner Vertragsplattform wurde demnach untersagt, die Domain www.vertragslotse.de zu nutzen. Das Vertragslotse-Team teilt dazu mit: Am 13. November 2014 wollte sich Aboalarm die Domain www.vertragslotse.de sichern und über eine Umleitung der Besucherströme auf die eigene Seite Kasse machen. Im Zuge dessen hat sich Aboalarm ebenfalls die Wortbild-Marke ‘Vertragslotse’ deutschlandweit schützen lassen” – siehe dazu auch “aboalarm benutzt den Namen vertragslotse – Wollt ihr weiterhin kostenlos kündigen?“. Augenscheinlich habe es Aboalarm darauf abgesehen, den jungen Kontrahenten Vertragslotse aus dem Markt zu drängen, spekulieren die Hauptstädter. Aboalarm legte gegen das Urteil Berufung ein.

“Wir haben uns zunächst um eine gütliche Einigung bemüht, am Ende mussten dann aber doch die Gerichte entscheiden”, sagt Jan Hendrik Ansink, Gründer von Vertragslotse. Die wichtige de-Domain wollte sich Ansink, auch Mitgründer von expertcloud.de, schon vor geraumer Zeit vom letzten Eigentümer sichern. Die Verhandlungen zogen sich demnach über knapp ein halbes Jahr. Aboalarm bootete Vertragslotse seiner Sichtweise nach aber letztendlich aus und wurde so zum Eigentümer der interessanten Domain – allerdings Monate, nachdem Vertragslotse im Mai des vergangenen Jahres an den Start ging. Aboalarm-Gründer Bernd Storm van’s Gravesande verkündete den Erwerb der Domain sogar über Twitter (siehe unten).

Bei der Markenanmeldung meldete Vertragslotse im Mai 2014 eine Wort-Marke an (deren Anmeldung aber zurückgewiesen wurde) und reichte später eine Wort-Bild-Marke nach – im November. Aber genau einen Tag vorher meldete Aboalarm eine Wort-Bild-Marke an, die auch eingetragen wurde. Damals war die Wort-Marke von Vertragslotse aber noch nicht gescheitert. Vertragslotse kann man somit nur vorwerfen, dass sich das Team um das wichtige Thema nicht intensiv genug gekümmert hat.

“Regulär und ohne Bieterkampf erworben”

Und was sagt Aboalarm-Macher Storm zum Thema? Er schildert die Vorgänge ganz anders. Die Domain vertragslotse.de habe man im November 2014 “regulär und ohne Bieterkampf erworben”. “Während des Kaufprozesses gab es keine weiteren Mitbieter – auch nicht Vertragslotse.com. Dies wurde uns vom Verkäufer bestätigt”, sagt Storm. Der Verkäufer war bisher nicht zu erreichen. “Anlass des Kaufs, war der Aufbau des neuen Wechselkompasses von aboalarm. Die damals eingeführte Funktion hilft Verbrauchern dabei, den für sie passenden Vertrag zu finden. Die Analogie eines Lotsen, der durch das Vertragsdickicht führt, lag daher nahe”, berichtet Storm weiter. Im ersten Blogeintrag zum Wechselkompass (aus dem Oktober 2014) heißt es bei Aboalarm: “Der Wechselkompass – das sind Anbieter-Bewertungen von Aboalarm-Kunden für Aboalarm-Kunden. Er bietet dir eine Orientierungshilfe, denn oft beginnt nach dem Entschluss zum Kündigen eine viel schwierigere Entscheidung: Wohin wechsle ich danach? Für diese Frage gibt es nun den Wechselkompass, den wir auch ‘Tripadvisor für Tarife’ nennen. Anfangs war dieser Wechselkompass unter aboalarm.de/wechselkompass/mobilfunk zu finden. Inzwischen residiert das Angebot unter aboalarm.de/vertragslotse/mobilfunk.

Nun aber weiter im Clinch: Aboalarm habe zudem die Wortbildmarke für Vertragslotse.de selbst entworfen und angemeldet, berichtet Storm. “Dabei handelt es sich um ein übliches Verfahren, da Vertragslotse.com zu dem Zeitpunkt keine Wort-Bildmarke angemeldet hat und die Wortmarke nicht eingetragen war.” Fakt sei, “dass nur wir eine eingetragene Marke Vertragslotse haben. Weil die Wortmarken-Anmeldung von Vertragslotse abgelehnt wurde”. Storm will den Clinch auch nicht als gezielten Angriff auf Vertragslotse im Raum stehen lassen. “Wir haben übrigens eine Vielzahl an Domains, die wir für interessant halten”. Zudem pflege man mit anderen Kündigungsservice-Anbietern wie contractix und kündigen.de ein sehr gutes Verhältnis.

“Erschüttert vom Umgangston”

Storm bemängelt zudem Tatsachen, die von Vertragslotse falsch und undifferenziert dargestellt würden. Unter anderem geht es dem Münchner darum, dass Vertragslotse behauptet, aboalarm wäre die Nutzung der Domain generell untersagt worden. Dies sei nur “in bestimmten Bereichen” untersagt worden. “Außerdem haben wir deutlich weniger für die Domain bezahlt, was wir Vertragslotse bereits mitgeteilt haben. Dennoch behaupten sie dies erneut”. Vertragslotse nennt einen Preis von 10.000 Euro. Besonders erschüttert ist Storm vom Umgangston seitens Vertragslotse: Es werde seitens Vertragslotse auf Facebook sogar “offen über gewalttätige Übergriffe auf das aboalarm-Team ‘gescherzt'” (siehe unten). “Wir haben uns entschlossen auch auf diese Provokation nicht einzugehen”, sagt Storm.

ds-vertragslotse-umgang

Zu guter Letzt führt Storm noch an, dass er bei der letzten Gerichtsverhandlung signalisiert habe, dass er zu Gesprächen mit Vertragslotse bereit sei. “Bisher wurde dies seitens Vertragslotse nicht erwidert.” Was Vertragslotse anders darstellt, immerhin berichtet die Jungfirma von Gesprächen miteinander. Klingt insgesamt nach einer ziemlich festgefahrenen Sache, bei der sich beide Seiten im Recht fühlen. Dieser Clinch unter Wettbewerbern muss trotzdem nicht sein.

Foto: Paolo Bona / Shutterstock.com

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.