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Wie Start-up Chile Gründer aus der ganzen Welt anzieht

Wohin sollte man als Gründer gehen, um sein Start-up hochzuziehen – Berlin, Tel Aviv, Silicon Valley? Vielleicht ist der derzeit beste Ort Chile: Kaum ein anderes Land hat sich so der Förderung von Start-ups verschrieben wie Chile. „Start-up Chile“ zieht Gründer aus der ganzen Welt an.
Wie Start-up Chile Gründer aus der ganzen Welt anzieht
Donnerstag, 19. Juni 2014VonYvonne Ortmann

Olga Reimgen hat es geschafft. Mit ihrem Start-up Epiclist hat die Deutsche bei Start-up Chile teilgenommen und das Programm erfolgreich absolviert. Mit der iPhone-App Epiclist können Nutzer spannende Entdeckungsreisen teilen und sich über Abenteuer-Trips und tolle Routen austauschen. Schon allein deshalb war für sie und Mitgründer Stan Bugaev Santiago der bestmögliche Ort, denn nach Chile verschlägt es unzählige Entdeckungslustige: „Wir sind selbst Abenteurer und für uns war es eines des größten und besten Abenteuer, das wir je erlebt haben.“

Aber auch abgesehen vom tollen Standort war für die Berlinerin das Chilenische Startup-Förderprogramm ein absoluter Glücksfall. Mit am besten fand Reimgen, dass Start-up Chile mehr von einem „Start-up Hub“ als einem Inkubator hat, ohne ständige Mentorentreffen und vielen Vorgaben, dafür gegenseitige Hilfe von anderen Gründern und erfolgreichen Alumni-Teams.

Gründer bekommen 40.000 Dollar Startkapital

Wie stark Chile auf die Förderung von Tech-Startups aus aller Welt setzt, zeigt sich auch an den besonderen Konditionen: Das chilenische Regierungsprogramm empfängt Gründer mit einem einjährigen Arbeitsvisum sowie 40.000 Dollar Startkapital, das nicht zurückgezahlt werden muss. Um an dem Programm teilzunehmen, müssen Gründer nicht einmal Unternehmensanteile abtreten, was das Programm von fast allen Inkubatoren und Hubs weltweit unterscheidet. Kein Wunder, dass sich mittlerweile pro Durchgang etwa 1.500 Start-ups bewerben, von denen dann 85-100 angenommen werden. Drei mal pro Jahr gibt es eine neue Bewerbungsrunde.

Die Konditionen klingen so positiv, dass sie viele Gründer misstrauisch machen. Dabei hat die chilenische Regierung sehr wohl eigene Ziele, die sie erreichen möchte: „Start-up Chile beabsichtigt, einen kulturellen Wandel in Chile zu erzeugen“, erklärt Maitetxu Larraechea, Kommunikationsleiterin von Start-up Chile. „Die Absicht ist es, Chile in den wichtigsten Innovations- und Entrepreneurship-Hub Lateinamerikas zu verwandeln. Das erreichen wir nur, wenn wir ein besseres Gründungs-Ökosystem schaffen.“

ds_Startup Chile

Soziale Vorgaben statt finanzielle Beteiligungen

Um die Entwicklung des Landes in den kommenden Jahrzehnten voran zu treiben, lockt Chile mit seinem Programm innovative Menschen aus der ganzen Welt ins Land. Trotzdem werden die Gründer nicht vereinnahmt sondern dürfen selbst entscheiden, ob sie in Chile oder ihrem Heimatland gründen. Das Programm dauert sechs Monate, danach steht es jedem Gründer frei, zu bleiben oder weiter zu ziehen.

Die Regierung geht davon aus, dass Gründer während ihrer Zeit in Chile viel Know-How und Enthusiasmus in das Land einbringen und dadurch Gesellschaft und Wirtschaft verändern. Deshalb setzt das Programm statt auf finanzielle Beteiligung auf soziale Einflussnahme: Um an sein Geld zu kommen, muss jeder Gründer insgesamt 4.000 Punkte sammeln. Die Punkte erhält man, wenn man Vorträge an Schulen hält, Workshops an Unis durchführt oder auf andere Art etwas in die Gesellschaft einbringt.

Alles ist natürlich auch hier nicht Gold, was glänzt. Da die Chilenische Start-up-Szene noch jung ist – jünger im Vergleich zu Berlin – existieren nur wenige Tech-Unternehmen im Land. „Es gibt noch kein SoundCloud, EyeEm oder GetYourGuide. Erfahrene Tech-Gründer zu finden, ist schwierig. Das bedeutet auch, dass noch kaum Investoren vorhanden sind, die die „Tech-Mentalität“ verstehen, da die meisten Investments bisher von traditionellen E-Commerce-Unternehmen kommen“, verrät Reimgen. Auch an gute und passende Mitarbeiter zu kommen ist dementsprechend schwierig.

Mit Epiclist ist es den beiden Deutschen schließlich gelungen, gute Mitarbeiter zu finden. Auch eine passende Agentur konnte das Team nach längerer Suche ausfindig machen. Und so blickt Reimgen äußerst positiv auf die verbrachte Zeit in Chile zurück und hofft, dass noch viel mehr deutsche Teams das Programm absolvieren.

Bisher ist die Quote deutscher Start-ups vergleichsweise gering, insgesamt haben 22 deutsche Start-ups an dem Programm teilgenommen. Im Vergleich dazu, dass rund 80 % der Start-ups aus dem Ausland kommen und schon über 1.000 Visa vergeben wurden, ist diese Zahl nicht gerade hoch. Doch das könnte sich in Zukunft ändern. Das Programm wird auch in Deutschland zunehmend bekannter und ist auf zahlreichen Veranstaltungen wie zuletzt der re:publica und Best of Both vertreten.

Foto: Plaza Prat with Opera House (Teatro Municipal) in Iquique city in the Atacama desert in North Chile from Shutterstock

Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.