Gastbeitrag von Sascha Thattil

So ist der indische Start-up Markt – ein Insiderbericht

Länder wie Indien, Thailand oder Brasilien haben eine starke Anziehungskraft für Auswanderungswillige und Gründer. Diese Länder bieten einen relativ hohen Lebensstandard, niedrige Lebenshaltungskosten und qualifizierte Arbeitskräfte. Gastbeitrag von Sascha Thattil.
So ist der indische Start-up Markt – ein Insiderbericht
Freitag, 2. Mai 2014VonChristina Cassala

Länder wie Indien, Thailand oder Brasilien haben eine starke Anziehungskraft für Auswanderungswillige und Gründer. Diese Länder bieten heutzutage einen relativ hohen Lebensstandard, niedrige Lebenshaltungskosten und eine große Anzahl an qualifizierten Arbeitskräften mit denen man zusammenarbeiten kann. Auch ich habe mich nach meinem Studium und ein paar Jahren Berufserfahrung entschlossen, mein Glück im Ausland zu suchen und habe in Indien ein Start-up gegründet.

Warum Indien?

Die Wirtschaft in Indien ist in den letzten Jahren enorm gewachsen und auch die Start-up Landschaft entwickelt sich dort derzeit rasant. Durch ein Praktikum konnte ich das Land vor einigen Jahren besser kennenlernen. Als ich mich dann im Jahr 2012 entschied, mein eigenes Unternehmen zu gründen, merkte ich schnell, dass man in Deutschland viel Eigenkapital braucht, um die Lebenshaltungskosten, die Steuern, Versicherung und weitere Kosten abzudecken.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mein Start-up Yuhiro gegründet. Das Ziel des Start-ups war die Bereitstellung von qualifizierten IT Mitarbeitern aus Indien. Mit der Zeit haben wir jedoch gemerkt, dass die meisten Unternehmen IT Projekte nach Indien auslagern wollten, jedoch wenig Interesse an IT Kräften hatten. Besonders aus dem Bereich Mobile Anwendungen für mittelständische Unternehmen konnten wir viele namhafte Kunden gewinnen. Das einzige und entscheidende Problem war jedoch, dass die Qualität, die aus Indien geliefert wurde, zu wünschen übrig ließ.

Nach einer kurzen Überlegungsphase habe ich mich dann entschieden, die Koffer zu packen und nach Indien zu gehen, um dort die Qualitätskontrollen vor Ort selbst durchführen zu können. Nun bin ich bereits seit zirka 2 Jahren in Indien und habe es bisher nicht bereut.

Geringe Mentalitätsunterschiede

Die Mentalitätsunterschiede sind um einiges geringer, als ich es mir zuvor vorgestellt hatte. Besonders bei der jüngeren Generation sind diese verschwindend gering. Besonders auch, weil die jungen Leute mit den gleichen Dingen aufwachsen wie wir Europäer: Hollywood-Filme sind sehr verbreitet. Die meisten nutzen Facebook, Twitter, Pinterest und die anderen Social Media Kanäle, um miteinander zu kommunizieren. Das Essverhalten gleicht sich an.

Allerdings war das Thema Qualität im IT Bereich lange Zeit eine große Baustelle. Aber das hat sich verbessert, denn die eigenen Arbeiten werden jetzt immer mehr mit internationalen Standards verglichen. Da will man in keinster Weise zurück stehen.

Die Start-up Kultur in Indien

Die Start-up Landschaft in Indien ist unglaublich spannend. Während meiner Zeit als Praktikant in Indien vor einigen Jahren, bewegte sich noch nicht sehr viel in diesem Bereich. Seit etwa zwei Jahren hat sich das Bild stark verändert: Es gibt mittlerweile eine Reihe interessanter Start-up Inkubatoren, wie das Startup Village in Kochi (Südindien).

Ein weiterer Wandel findet derzeit bei den Innovationen statt. Über einen längeren Zeitraum gab es nur wenige Produkt-Start-ups. Diese hatten vielfach nur Kopien von bestehenden Dingen im Portfolio. Es hat ein Sinneswandel stattgefunden. Mittlerweile gibt es den Drang eigene, innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Ein gutes Beispiel ist RHLvision Technologies: Das Unternehmen hat einen Prototyp für einen Ring entwickelt, mit dem man verschiedenste Geräte steuern kann. Das Produkt konnte in Folge über Indiegogo über 200 000 Euro einsammeln. So etwas wäre meiner Einschätzung nach bis vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Funding: Starke Ausrichtung in USA

Um Funding und Ideen zu finden, wird sich in Indien noch sehr stark an den USA ausgerichtet. Deutschland hingegen hat leider als Destination für innovative, indische Start-ups eine sehr geringe Anziehungskraft. Indische Start-ups gründen oftmals zunächst ihr Unternehmen in USA oder starten in Indien und wagen dann den Sprung über den Teich. Grund: In den USA gibt es viele und bereitwillige Investoren und derzeit kommen die interessanten Innovationen immer noch von dort. Besonders das sehr ausgereifte Ökosystem für Gründer in Amerika ist attraktiv. Der Berlin-Trend ist in Indien bisher noch nicht angekommen. Das wird sich in den nächsten Jahren sicher ändern, sobald sich die ersten Berliner Erfolgsgeschichten hier rumgesprochen haben.

Deutsche Gründer in Indien

Es gibt viele deutsche Gründer, die hierzulande ihr Glück suchen. Meine Schätzung beläuft sich auf mehrere Hundert im Jahr. Einige davon sind sehr erfolgreich, wie beispielsweise die Gründer von eSupply. Sie verkaufen Do-It-Yourself Produkte wie Bohrmaschinen, Fräsmaschinen und weitere an Geschäftskunden über ein Onlineportal.

Die deutsche Start-up-Szene ist in Indien allerdings untereinander nicht wirklich gut vernetzt. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Gründer regional über das ganze Land verteilen. Daher denken wir derzeit über den Aufbau einer Dachorganisation nach. Sie soll eine Plattform für einen Austausch bieten, auch für andere Nationalitäten, wie aus den englisch-sprachigen und skandinavischen Ländern. Insbesondere in den Großstädten wie Bangalore, gibt es eine große Anzahl internationaler Gründerfirmen.

Die besten Orte für die Gründung

Die Hochburgen der Start-up-Szene in Indien sind derzeit Bangalore, Madras und New Delhi. Aber auch kleinere Städte wie Pune und Cochin bieten ein interessantes Ökosystem mit Inkubatoren und Investoren. Jeder Standort hat so seine Vor- und Nachteile: Bangalore ist zwar die bekannteste Stadt in Indien, wenn es um IT Themen oder Start-ups geht, allerdings gibt es dort einen heftigen Kampf um die besten Köpfe. Cochin lockt mit einer guten Arbeitsatmosphäre und niedrigen Preisen für Mieten und Lebenshaltungskosten.

Am meisten Start- ups gibt es in Banglore mit 591 technologieorientierten Gründungen, gefolgt von Delhi mit 237 und Chennai (ehemals Madras) mit 203. Weiter folgen Pune und Mumbai mit jeweils 149 und 136 Gründungen. (Quelle: Microsoft India Accelerator 2014)

Benötigtes Kaptial für eine Gründung in Indien

Wer sparsam haushaltet und schnell den Break Even schafft, kann mit umgerechnet etwa 20.000 Euro Kapital hier schon gut durchstarten. Ausser Eigenkapital gibt es auch die Möglichkeit, Funding von Venture Capital Unternehmen zu bekommen. Im Zeitraum von Januar bis März 2014 wurden über 437 Millionen Dollar an Technologie Start-ups in Indien ausgeschüttet (Quelle: nextbigwhat.com). Erwähnenswerte Unternehmen sind hier Snapdeal, welches 133,77 Millionen Dollar bekommen hat und Quikr mit 90 Millionen Dollar.

Fazit

Mein Fazit ist bislang positiv! Wir konnten mit unserem Start-up im Bereich IT Dienstleistungen – Mobile Anwendungen und eCommerce Lösungen – bereits größere Projekte erfolgreich ausführen und interessante Kunden aus Deutschland gewinnen. Es scheint so zu sein, als würde der IT Dienstleistungsmarkt immer interessanter für Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum und auch die bisherigen Zweifel, an der Qualität die aus Indien kommt, scheinen sich zu legen. Auch die Start-up Szene in Indien entwickelt sich schnell und professionalisiert sich rasant. Ich empfehle, sich in Indien umzuschauen. Es gibt eine junge Generation an gut ausgebildeten Gründern mit innovativen Ideen, mit denen man sich hier zusammen tun kann.

Passend zum Thema: “Über ungeahnte Potentiale im Wachstumsmarkt Indien

Zur Person
Sascha Thattil ist Gründer und Geschäftsführer von Yuhiro, welches aus Indien heraus Mobile Apps und eCommerce Lösungen für Startups und mittelständische Unternehmen anbietet. Zudem ist er ein interessierter Blogger und beschäftigt sich dort rund um die Themen Mobility und Softwareentwicklung.

Foto: India flag waving on the wind from Shutterstock

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.