Deutsche Gründer geben zu früh zu viele Anteile ab

In einem offenen Brief an deutsche Gründer, den das Wall Street Journal veröffentlichte, richtet Neil Rimer, Partner bei Index Ventures (immerhin bei Facebook, Supercell und Soundcloud investiert) harte Worte an alle Jungunternehmer im […]
Deutsche Gründer geben zu früh zu viele Anteile ab
Sonntag, 20. Oktober 2013VonKarl Müller

In einem offenen Brief an deutsche Gründer, den das Wall Street Journal veröffentlichte, richtet Neil Rimer, Partner bei Index Ventures (immerhin bei Facebook, Supercell und Soundcloud investiert) harte Worte an alle Jungunternehmer im Lande. Er spricht von “schwerwiegenden Fehler” in frühen Finanzierungsrunden, “die letztendlich die Grundlagen ihrer Unternehmen gefährden und vermutlich mit ihrem Instinkt unvereinbar sind”.

Eine erschreckende Zahl deutscher Start-ups weise Eigentumsstrukturen auf, die eine Venture-Finanzierung schwierig gestalten würden. Häufig hätten die Gründer zu viele Anteile an ihre ersten Investoren abgegeben – in der Regel Business Angels und Family Offices, die nur begrenzt Erfahrung mit schnell wachsenden Startups und dem Venture-Capital-Finanzierungsmodell hätten. Weiter schreibt er: “Es ist nicht ungewöhnlich für uns auf ein zwölf Monate altes Startup zu treffen, dessen Produkt-Release noch aussteht und an dem Angel-Investoren bereits über 60 Prozent des Unternehmens halten, die drei Gründer zusammen 40 Prozent und kein formeller Optionspool existiert”. Das ist der Kuchen verteilt, bevor es in anderen Länder erst richtig los geht.

Weitere zentrale Thesen Rimers Generalkritik:
* In vielen Fällen gehen Gründer bei Finanzierungsrunden mit einer gewissen Naivität vor – insbesondere wenn es ihr erstes Unternehmen ist.
* Wenn wir davon ausgehen, dass der Serie-A-Investor nach der Finanzierungsrunde 20 Prozent besitzt (…) so bleiben 20 Prozent für die Frühinvestoren.
* Umso komplizierter wird es, wenn Angel-Investoren das Recht haben an zukünftigen Finanzierungsrunden zu partizipieren, um sich gegen die Verwässerung ihrer Anteile zu schützen.
* Es ist wenig zielführend, wenn der Großteil einer Venture-Finanzierung dem Auskaufen existenter Investoren dient, wird doch das Geld dringend zum Aufbau des Startups benötigt.
* Unsere Empfehlung an (zukünftige) Unternehmer lautet entsprechend: macht euch ausreichend Gedanken zur ersten Finanzierungsrunde.
* Außerdem raten wir Gründern so wenig Seed-Kapital wie möglich aufzunehmen.
* Des Weiteren sind unserer Meinung nach strategische Investoren oder deren Venture-Capital-Gesellschaften für Seed-Finanzierungen nicht uneingeschränkt geeignet.

Ergänzung: Ohne Frage gibt es in Deutschland zu viele junge Unternehmer, die zu früh zu viele Anteile an ihren Start-ups abgeben. Doch sind die Gründer naiv oder die Investoren zu gierig – vermutlich kommt beides ins Spiel. Vielleicht fehlt aber beiden Seiten noch immer die Fantasie, das auch deutsche Start-ups richtig groß werden können, was zu niedrigen Bewertungen führt. Da ist die frühe Finanzierungsrunde für viele gedanklich schnell das Ende der Fahnenstange. Auf Dauer kann dieses Spiel nicht funktionieren, wenn alle zu klein denken. Passend dazu ein Artikel aus unserer Offline-Reihe: “Offline! ‘Investoren in der Frühphase? Nie wieder!’“.

Foto: Victoria sponge cake with strawberries, jam and whipped cream with a cut out piece on a wooden table from Shutterstock