Wie man einen CEO zum Twitter-Profi werden lässt

Oder: So schnell geht’s denn nun doch nicht. Selbst die schönsten Infografiken sind ja immer nur so gut wie ihr Inhalt. Und der Tenor dieser Infografik von elementthree (Klick ins Bild zeigt die […]
Wie man einen CEO zum Twitter-Profi werden lässt
Dienstag, 8. Oktober 2013VonElke Fleing

Oder: So schnell geht’s denn nun doch nicht. Selbst die schönsten Infografiken sind ja immer nur so gut wie ihr Inhalt. Und der Tenor dieser Infografik von elementthree (Klick ins Bild zeigt die ganze Infografik) mag zwar pädagogisch wertvoll sein. Denn die Kernaussage ’30 Minuten tägliches Zeitinvestment genügen, um ein erfolgreicher Twitterer zu werden’, kann die Hemmschwelle bei CEOs senken, sich an Twitter heranzuwagen.

Der befürchtete hohe Zeitaufwand dürfte nämlich für viele der notorisch zeitknappen Führungskräfte der Hauptgrund sein, warum sie eben nicht twittern. Neben Menschen, die Twitter für Quatsch und eitlen Kram halten. Egal: Aber der tatsächliche Aufwand, zumindest der, um einen erfolgreichen Twitter-Account aufzubauen, ist doch arg verknappt dargestellt und nicht in die Aufwandsschätzung eingeflossen.

Ein CEO twittert, um Einfluss zu gewinnen?

Einfluss zu gewinnen, ist zwar nicht das einzig mögliche Ziel eines Unternehmers, um zu twittern, aber tatsächlich das wahrscheinlichste und hauptsächliche.

In die Motivation eines CEO mit hineinspielen können diese Ziele:

  • Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit für sein Unternehmen und dessen Angebot generieren,
  • Gespräche über sein Unternehmen und dessen Angebot anzuregen,
  • sich selbst als Experte zu positionieren, zum Beispiel, um als Speaker auf Konferenzen etc. angefragt zu werden,
  • sich und sein Unternehmen als transparent kommunizierend zu positionieren,
  • sein Unternehmen als guten Arbeitgeber zu positionieren,
  • mit seinen Mitarbeitern, Kunden, potentiellen Kooperationspartnern und/oder anderen Stakeholdern ins Gespräch kommen oder diese Kontakte festigen – eben aktives Netzwerken von seiner besten Seite
  • bestimmte eigene Wertvorstellungen oder die Philosophie seines Unternehmens kommunizieren, Stichwort: Wofür stehe ich bzw. stehen wir
  • Dem Unternehmen ein personifiziertes, menschliches Antlitz geben

Andere mögliche Ziele eines Unternehmens beim Twittern sind eher nicht Sache des CEO, sondern anderer im Unternehmen. Solche Ziele können zum Beispiel sein:

  • Erschließung neuer Zielgruppen
  • schneller, unbürokratischer, transparenter Kundenservice
  • Umsatzsteigerung im weitesten Sinne – als direkten Vertriebskanal sollte man Twitter sowieso nicht nutzen
  • Produkt- bzw. Update-Ankündigungen
  • Eventankündigungen
  • Krisenmanagement (wobei das in Ausnahmefällen auch von CEO übernommen oder zumindest unterstützt werden kann)
  • Recruiting von Mitarbeitern, Jobausschreibungen
  • Gewinnspiele, Rabatte kommunizieren zwecks Kundenfindung oder Kundenbindung

Dem in der Infografik genannten Hauptziel eines CEO beim Twittern ist also zuzustimmen. Aber dann werden hauchdünne Bretter gebohrt:

Der Erfolg eines Twitter-Accounts hängt vor allem von den Reaktionen anderer Twitterer ab

Alle Vorbereitungs-Maßnahmen, um eine Twitter-Präsenz mit möglichst hohem Einfluss auf andere aufzubauen, werden in der Infografik in einem kleinen Abschnitt abgefrühstückt.

‘Blogs abonnieren und organisieren’ heißt die magische Formel, mit der laut elementthree alles an Vorbereitungen für einflussreiches Twittern erledigt ist. Das ist einfach Unsinn grob unvollständig.

Denn erfolgreiches Twittern besteht mitnichten nur aus dem Absetzen von Links zu spannenden Blogartikeln. Zum einen besteht die Welt der Information und der Unterhaltung aus deutlich mehr als nur Blogs und sonstigen RSS-Feeds. Und vor allem:

Man twittert umso erfolgreicher, gewinnt im Social Web umso mehr Einfluss, desto mehr andere Twitterer man durch seine Tweets zu einer Reaktion animieren kann: Einem Retweet, einer Kommunikation über den Tweet oder einem direkten Austausch zum Inhalt des Tweets.

Man wird nicht durch Masse von gepostetem Inhalt zum Meinungsführer, sondern dadurch, dass andere in irgendeiner Form auf den eigenen Inhalt Bezug nehmen.

Influencer-Mess-Tools wie Klout oder PeerIndex messen folgerichtig auch vor allem die dialogischen Aktivitäten eines Accounts, um seinen Influencer-Score zu ermitteln.

Ansonsten kann man von diesen Tools ja halten, was man will – bei deutsche-startups.de haben wir uns ja auch schon darüber ausgelassen: Klout und Co. – und plötzlich werden Social Web-Aktivitäten zum Selbstzweck?!

Ok, es geht also darum, mit seinen Tweets Reaktionen zu provozieren. Dafür aber ist Mindest-Voraussetzung, dass andere sie zur Kenntnis nehmen können.

Und das wiederum funktioniert bei Twitter nur, indem ein Account bei anderen in dessen Listen ist oder besser noch, dass andere einem folgen. Zu Followern werden also.

Eine hohe Follower- also Leserzahl aufzubauen, ist nicht ganz einfach und funktioniert auch zeitlich nicht mal eben. Natürlich kann man sich diverser Tools und fragwürdiger Taktiken wie Follower-Kauf bedienen, um die eigenen Followerzahlen in die Höhe schnellen zu lassen.

Für den Influencer-Score oder auch den echten Einfluss auf andere bringt das aber herzlich wenig. Denn diese mehr oder weniger gefakten Follower lesen die Tweets nicht wirklich, nehmen keinen Bezug darauf und haben meist selbst einen sehr niedrigen Influencer-Status. Außerdem kommen sie selten aus der Zielgruppe, die der CEO tatsächlich erreichen will.

Es gilt, geduldig, behutsam und kontinuierlich eine organisch wachsende Twitter-Followerschaft aufzubauen

Und das geht nur mit einigermaßen viel Geduld und deutlich mehr zeitlichem Engagement als den von elementthree zugebilligten täglichen paar Minuten.

Man muss nach und nach

  • die Twitterer herausfiltern, die einen selbst mit interessantem Content beliefern, um ihnen zu folgen und mit ihnen in Interaktion zu treten
  • auswählen, welchen seiner Follower man zurückfolgt,
  • gegebenenfalls auf Fragen oder Reaktionen auf eigene Tweets wiederum reagieren

Und man muss natürlich, um (die richtigen) Follower zu bekommen, vor allem

Spannende und zur Zielgruppe passende Inhalte bieten

Insgesamt 20 Minuten täglich genügen laut elementthree zum Recherchieren, Auswählen und Formulieren spannender Tweet-Inhalte.

Das kann dann klappen, wenn man seine Recherchen im Netz, in Zeitungen und Zeitschriften oder im echten Leben nicht nur für Twitter aufwendet. Wir alle lesen ja tägliche Nachrichten und Branchen-News, informieren uns über das Weltgeschehen oder sonstige uns oder unser Business betreffende Neuigkeiten. Und das tun wir unabhängig davon, ob wir twittern oder nicht.

Wenn man

  • aus dieser gesamten täglichen Informationsflut nur drei bis vier besonders passende Links herausfischt plus
  • mal eben ein bis zwei persönliche Statements aus dem Handgelenk schütteln kann und
  • wenn man sehr schnell im Finden treffender, kurzer und knackiger Formulierungen ist

– wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann können 20 Minuten täglich ausreichen.

  • Und wenn man dann noch extrem schnell lesen kann und
  • sehr gut darin ist, schnellstens seinen Twitterstream und
  • die abonnierten Blogs auf Relevantes zu scannen und
  • gegebenenfalls zu antworten und in Blogs zu kommentieren,

dann kommt man auch dafür mit den vorgeschlagenen 10 Minuten aus.

Wenn all diese Voraussetzungen nicht gleichzeitig zutreffen, braucht man mit Sicherheit länger, um sich als CEO einen erfolgreichen Twitter-Account aufzubauen.

Besonders zu Beginn einer ‘Twitterkarriere’, wenn sich bestimmte Abläufe noch nicht eingespielt haben, wenn all die nützlichen Tools wie Hootsuite etc. noch nicht eingerichtet sind und ‘mit links’ gehandhabt werden können, wird man deutlich länger brauchen, als in dieser Infografik vorgeschlagen.

Später, wenn dann einiges auch automatisiert worden ist, aktuelle Blogposts – der webaffine CEO bloggt ja auch – zum Beispiel automatisch via ifttt oder andere Dienste in den twitter-Account geschubst werden und sich die Followerzahlen auf einigermaßen hohem Level eingependelt haben, funktioniert erfolgreiches Twittern schneller.

Dann kommt man auch schon mal den einen oder anderen Tag ganz ohne aktive Recherche oder manuelles Twittern aus und ist dennoch dort präsent.

Aber für die gesamte Arbeit an einem Influencer-Twittraccount inklusive strategischer und organisatorischer Vorbereitungen grundsätzlich 30 Minuten täglich anzusetzen, ist Augenwischerei. Der CEO, der mit einer solchen Zeiteinschätzung zum Twittern gebracht wird, wird kein ‘Pro’, sondern lässt seinen Account nach kurzer Zeit entnervt und enttäuscht wieder einschlafen. Und das bringt ja nun wirklich niemandem etwas.

Bilder unten: Shutterstock: Domino, Mikado, Ass

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.