“Fehler zu machen ist für unser gesamtes Team keine Schande” – Christian Wawrzinek von Goodgame Studios

Die junge Spielefirma Goodgame Studios (www.goodgamestudios.com) erblickte 2009 das Licht der Webwelt. Seitdem entwickelte sich der Ableger von Altigi zu einem Unternehmen mit 370 Mitarbeitern und 100 Millionen registrierten Spielern. In den kommenden […]
“Fehler zu machen ist für unser gesamtes Team keine Schande” – Christian Wawrzinek von Goodgame Studios
Dienstag, 26. Februar 2013VonAlexander Hüsing

Die junge Spielefirma Goodgame Studios (www.goodgamestudios.com) erblickte 2009 das Licht der Webwelt. Seitdem entwickelte sich der Ableger von Altigi zu einem Unternehmen mit 370 Mitarbeitern und 100 Millionen registrierten Spielern. In den kommenden Monaten will das Hamburger Start-up auf 800 Mitarbeiter anwachsen. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Goodgame-Macher Christian Wawrzinek, mit dem wir zuletzt 2010 ausführlich sprachen, über Ingame-Transaktionen, mobile Applikationen und klassische Fehler.

Laut Eigenbeschreibung ist Goodgame Studios “das am schnellsten wachsende Spieleunternehmen Europas”. Wir freuen uns über einen Beweis für diese Aussage.
Gerne liefern wir dazu ein paar Zahlen: In den letzten zwölf Monaten ist Goodgame Studios um über 200 Mitarbeiter auf 370 Mitarbeiter gewachsen – momentan vergrößern wir unser Team um etwa 30 Personen monatlich. Die Zahl der registrierten Spieler haben wir im letzten Jahr um 50 Millionen auf über 100 Millionen steigern können – im Januar 2013 konnten wir über 6 Millionen Neuregistrierungen verzeichnen. Und unser Umsatz hat sich 2012 gegenüber dem Vorjahr knapp versechsfacht.

Auch im Januar 2013 konnten wir den Umsatz wieder um über 20 % gegenüber dem Vormonat steigern. Wir wachsen dabei aus dem Cashflow und sind sehr profitabel. Uns ist kein anderes Spieleunternehmen in Europa bekannt, das solche Zahlen vorweisen kann. Ein Blick auf Alexa zeigt, dass unsere Strategie aufgeht: Goodgamestudios.com gehört mittlerweile zu den meistbesuchten Websites überhaupt und ist das größte Gamingportal der Welt.

Für Zynga, Bigpoint und diverse andere Spieleunternehmen war 2012 kein gutes Jahr. Für Goodgame Studios war das vergangene Jahr das “erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte”. Was machen sie anders als der Rest?
Vor allem sind es die Mitarbeiter, die den langfristigen Erfolg einer Firma ausmachen. Wir verwenden extrem viel Zeit darauf, ein sozial und inhaltlich sehr kompetentes Team aufzubauen. Wir haben eine Kultur, in der man ohne Statusdenken miteinander kommuniziert, schnell voneinander lernt und kontinuierlich die Verbesserung sucht. Und daher stellen wir von den monatlich über 2.000 Bewerbern im Schnitt auch nur die besten 2 % ein.
Außerdem optimieren wir unsere Produkte und Arbeitsabläufe stetig und testen dabei jeden Tag Neues. Funktioniert etwas, wird es schnell produkt- oder unternehmensweit umgesetzt. Funktioniert etwas nicht, lernen wir daraus und probieren etwas anderes.
Und auch strategisch achten wir sehr auf Nachhaltigkeit: wir haben langfristige strategische Ziele und handeln nicht kurzfristig orientiert oder investorengetrieben.

Sie sagten gerade, dass sie den Umsatz 2012 gegenüber dem Vorjahr knapp versechsfachen konnten: Wie genau verdienen Sie Geld, was sind die wichtigsten Einnahmequellen?
Wir verdienen ausschließlich über Ingame-Transaktionen. Unsere Spieler haben die Möglichkeit, Premiumwährung zu erstehen, mit der sie einfacher bzw. schneller im Spiel vorankommen. Die deutliche Mehrheit der Spieler nutzt unsere Titel vollkommen kostenlos. Wir monetarisieren diese auch nicht durch Werbung oder Partnerprogramme, da wir den Spielfluss nicht unterbrechen und das Vergnügen dadurch nicht schmälern wollen.

Die Goodgame Studios-Spiele wirken alle wie Adaptionen und Kopien von bekannten Spielen bzw. Spielmechanismen. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Diese Kritik hätte man für unsere ganz frühen Produkte zumindest teilweise anführen können. Wir haben uns zu Beginn von Goodgame Studios an bewährten Spielkonzepten wie z.B. dem Kartenspiel Poker mit allgemein bekannten, grundsätzlich feststehenden und ganz einfachen Spielregeln orientiert, um unternehmerische Risiken zu vermeiden. Da wir den Unternehmensaufbau ohne Venture Capital gemeistert haben, wäre in der Frühphase ein Fehlschlag extrem hart für uns gewesen. Wir mussten mit sehr kleinen Budgets arbeiten und konnten somit nicht viel Geld in die Entwicklung ganz neuer Spielideen stecken. Dennoch haben wir selbst bei Goodgame Poker im Produktdesign völlig neue Wege beschritten und ein einzigartiges Spiel mit vielen neuen Elementen gebaut, wie z.B. dem farbenfrohen Casual Style oder der umfangreichen Avatarerstellung. Seit 2009 haben wir unseren Kreationsprozess aber kontinuierlich weiterentwickelt, von Produkt zu Produkt sehr viel dazugelernt und gehen bei der Produkterstellung nun ganz eigene Wege. Für unsere neueren Spiele wäre die oben genannte Kritik insofern auch vollkommen unbegründet.

Was hat sich seitdem verändert?
Wir produzieren mittlerweile mit Budgets im siebenstelligen Bereich pro Spiel und investieren damit auch stark in Innovationen. Unsere heutigen Produktionen sind selbstentwickelte, neue Konzepte und das Ergebnis von jahrelangem, kontinuierlichem Testing, Optimieren und Lernen.
Heutzutage reicht es ohnehin nicht mehr, sich an bewährten Konzepten zu orientieren. Nicht zuletzt durch unsere Aktivität ist der Markt sehr kompetitiv geworden. Um Spitzenleistung zu bringen, ist es unumgänglich geworden, die Erfolgsfaktoren eines Produkts genau zu verstehen, das Produkt dann ständig graduell zu optimieren und schließlich manche Problemstellungen auch ganz neu zu durchdenken und innovativ zu lösen.

Welche Bedeutung haben Social Games im Stil von Zynga oder Mobile Games, auf die derzeit alle setzen, für Goodgame Studios?
Die Spiele von Zynga haben keine Bedeutung für Goodgame Studios. Zum einen war und ist Facebook im Web kein langfristig attraktiver Markt für uns. Zum anderen ist die aktuelle und in näherer Zukunft zu erwartende Produktstrategie von Zynga kein Vorbild. Der Bereich Mobile Games hingegen wird für uns 2013 und danach ein sehr wesentlicher Wachstumsmarkt werden. Ein größerer Teil unseres Teams arbeitet bereits an mobilen Applikationen. Unsere Mobile-Sparte wird in den kommenden Monaten personell noch sehr stark wachsen. Eine mobile Version von Goodgame Empire wird voraussichtlich noch im ersten Quartal dieses Jahres für iOS erscheinen, Apple hat die App bereits als “approved” gekennzeichnet. Eine Android-Version wird kurz darauf folgen.

Lässt sich mit Mobile Games künftig genauso viel, genau so leicht Geld verdienen wie mit klassischen Browsergames?
Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist es heutzutage auch mit Browsergames nicht leicht, Geld zu verdienen. Die Konkurrenz ist groß und es gibt für die User viele alternative Angebote. Nur solche Firmen, die sich stark professionalisieren und in allen relevanten Teilbereichen wie Personal, Produkt, Marketing, Analyse usw. Spitzenleistung erbringen und diese kontinuierlich verbessern, sind und bleiben erfolgreich. Das ist im Mobile-Sektor nicht anders.

Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir hatten das Glück, schon Erfahrungen als Unternehmensgründer im Internet sammeln zu können, bevor es mit Goodgame Studios losging. So haben wir viele klassische Fehler bereits sehr früh gemacht und dann bei Goodgame Studios vermeiden können. Als wirklich klassische Fehler fallen mir z.B. ein: Keine Konzentration auf die für den Erfolg der Firma wesentlichen Aspekte und Verzettelung mit eher unwichtigen Dingen. Außerdem wäre da eine zu optimistische Einschätzung von Fremdsoftware-Lösungen, also zu viel Hoffnung auf Verbesserungen statt Optimierung von Arbeitsprozessen und akribische Softwareevaluation, -testing und -einfühung, wie wir es heutzutage immer handhaben. Fehler machen wir natürlich nach wie vor, das bleibt gar nicht aus. Wir sehen das aber sportlich: Fehler zu machen ist für unser gesamtes Team keine Schande oder ein Grund aufzugeben, sondern eine Gelegenheit, daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

Bei welchem Projekt konnten Sie besonders viel lernen?
Nehmen wir Goodgame Farmfever als Beispiel. Das Spiel ging vor einem Jahr live. Und bereits im September desselben Jahres mussten wir es wieder vom Netz nehmen, weil es unsere Erwartungen nicht erfüllt hat. Wir haben aber exakt analysiert, was genau nicht gut war – und ebenfalls, was trotz des Misserfolges gut funktioniert hat – und das Gelernte in die Konzeption von Goodgame Big Farm mitgenommen. BigFarm ist nun unser drittes Spiel in einem Farmsetting. Es ist nur deshalb ein so gutes Produkt geworden, weil wir nicht aufgeben und gerne aus Fehlern lernen. Die Marke von einer Million registrierten Spielern hat Goodgame Big Farm in weniger als sechs Wochen nach dem Start erreicht – für uns ein neuer Rekord.

Und wo haben Sie Ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?
Besonders stolz sind wir auf unser Team, unsere Werte und Unternehmenskultur. Hier unterscheiden wir uns ganz klar von unseren Mitbewerbern. Bei uns denkt jeder mit und zeigt Verantwortungsbewusstsein. Daher kommen wir auch mit relativ wenig Bürokratie klar. Jeder im Team ist gut in dem, was er macht, ist mit Spaß und großer Leidenschaft dabei. Und jeder Mitarbeiter weiß, dass wir hier gemeinsam etwas ganz Großes aufbauen.

Welche Länder sind besonders wichtig für Goodgame, also wo sitzen die Goodgame-Spieler?
Unsere Spiele werden in über 200 Märkten gespielt. Verstärktes Marketing machen wir aktuell in über 40 Ländern, Tendenz steigend. Am erfolgreichsten sind wir unter anderem in Mittel-, Süd- und Osteuropa, Südamerika sowie den wichtigsten asiatischen Ländern.

Wo steht Goodgame Studios in einem Jahr?
Wir hoffen, dann mit über 800 hochqualifizierten und -motivierten Mitarbeitern, neuen Produkten und nach einem Rekordjahr 2013 der größte und erfolgreichste Entwickler und Anbieter von Browserspielen in Europa zu sein. Dafür suchen wir unternehmerisch denkende Persönlichkeiten, die etwas bewegen wollen.

Zur Person
Christian Wawrzinek, Jahrgang 1980, ist zusammen mit seinem Bruder Kai Wawrzinek Geschäftsführer und Produktionsleiter des Hamburger Spieleentwicklers Goodgame Studios. Er verantwortet die operative Ausrichtung des Unternehmens und die Koordination neuer Produktentwicklungen. Nach einem Studium der Zahnmedizin an der Universität Kiel promovierte er am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Aus der Leidenschaft für Computerspiele entstand bereits während des Studiums die Altigi GmbH.

Hausbesuch bei Goodgame Studios

Hamburg ist eindeutig die Stadt der Spieleschmieden: Bigpoint, InnoGames, northworks – und seit Mitte 2009 Goodgame Studios. deutsche-startups.de durfte sich 2011 bereits einmal bei der Gamesfirma umsehen. Herausgekommen sind etliche Fotos des Hamburger Domizil im “Westend Village”. Alle Eindrücke in unserer Fotogalerie.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.