Perspektive

Was ist disruptive? – Strategien und Denkansätze

„Disruptive“ stammt aus einem Begriffspaar und das unsegliche Pendant ist „sustaining“. „Sustaining“ beschreibt das, was etablierte Unternehmen machen, um ihre Dasein aufrechtzuerhalten. Der grundlegende Unterschied zwischen „disruptive“ und „sustaining“ liegt in der Geisteshaltung der jeweiligen Unternehmen.
Was ist disruptive? – Strategien und Denkansätze
Dienstag, 14. August 2012VonMalte Prien

Es wird viel über „disruptive“ gesprochen und geschrieben. Wer in die deutsche Amazon Buchsuche „disruptive“ eingibt, erhält 55 Treffer. Amazon.com liefert 1.652 Treffer. TechCrunch veranstaltet eine ganze Reihe an „Disrupt“ Konferenzen und deutsche-startups.de titelt mit „disruptive“. Es muss Klarheit her. Erstens: was ist „disruptive“? Zweitens: wer ist „disruptive“? Der Terminus „disruptive“ bzw. „disruptive technologies“ stammt von Clayton Christensen, der diesen Begriff in dem 1997 erschienen Buch „The Innovator’s Dilemma“  thematisierte und daraus seine Theorie des „failure frameworks“ ableitete.

Das Dilemma beschreibt die Situation erfolgreicher und etablierter Unternehmen, die alles richtig machen und trotzdem an „disruptive technologies“ scheitern und vom Markt verschwinden.

Disruptive vs. Sustaining

„Disruptive“ stammt aus einem Begriffspaar und das unsegliche Pendant ist „sustaining“. „Sustaining“ beschreibt das, was etablierte Unternehmen machen, um ihre Dasein aufrechtzuerhalten. Der grundlegende Unterschied zwischen „disruptive“ und „sustaining“ liegt in der Geisteshaltung der jeweiligen Unternehmen. Diese Geisteshaltung wird durch das Hauptwort „technologies“ beschrieben. „Technologies“ bezeichnet in Christensens Verständnis, die Art und Weise, wie ein Unternehmen Informationen, Wissen, Ressourcen verarbeitet und kombiniert, um daraus ein Ergebnis mit einem Mehrwert zu schaffen. Das Verständnis dieses Mehrwertes ist wesentlich für die Geisteshaltung und damit die „technologies“. Denn der Mehrwert entsteht durch eine vom Markt wahrgenommene Performanceleistung und die Geisteshaltung des Unternehmens richtet sich danach, was der Markt will und mit welchen Wertvorstellungen, welcher Kultur, das Ziel verfolgt wird, diesen entsprechenden Mehrwert zu schaffen. Und das führt zu dem Dilemma, wenn sich der Markt ändert.

In der Regel sind „disruptive technologies“ kleiner, einfacher und billiger, als das was am Markt üblich ist. Sie entstehen in Nischenmärkten, in denen sich die Produktperformance (die im Vergleich zur etablierten Performance (sustaining) schwächer ausfällt) weiterentwickelt und dann aus der Nische heraustritt. Plötzlich ist die Performance der „disruptive technology“ der „sustaining technology“ ebenbürtig und verdrängt die etablierten Unternehmen (sustaining).

Disruptive Technology

Clayton Christensen verwendet dazu ein abstraktes Schaubild, in dem er die Produktperformance über die Zeit abbildet. Zusätzlich veranschaulicht Christensen in dieser Abbildung die Entwicklungspfade der „sustaining technology“ und der „disruptive technology“. Das spannende ist: die „disruptive technology“ wird irgendwann selbst zu „sustaining technology“ und wird schließlich selbst von einer neuen „disruptive technology“ verdrängt.

Strategische Perspektive für Start-ups

Für Start-ups ergibt sich aus dieser “disruptive”-Logik eine interessante Perspektive für Positionierung und Strategie. Uzi Shmilovici, CEO Gründer von Future Simple, bietet dazu drei Denkanstöße auf TechCrunch:

1. Wir mit dem eigenen Produkt, Angebot, Service tatsächlich ein neuer Mehrwert angeboten, der im Vergleich zu bisherigen Angeboten einfacher, schneller und günstiger ist ? Oder besteht das Angebot nur aus einer anderen Art des Vertriebs eines bestehenden Produktes, wie deutsche-startups.de beispielsweise bei Home Shopping herausfand.

2. Ist der Blick auf den Bedarf und Wunsch des Kunden gerichtet und verstanden? Und welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus? Shmilovici führt als Beispiel Znyga an, die Facebook als Vertriebskanal entdeckten, bevor die klassischen Game-Developer überhaupt wussten, wer Mark Zuckerberg ist.

3.  Und aufgepasst, das man nicht selber irgendwann im Dilemma gefangen ist. So erkannte Research in Motion (RIM) frühzeitig, dass sich Telefone zum Empfangen und Schreiben von Emails eignen. RIM eroberte mit Blackberry und Quertztastatur die Managementwelt und hängte Touchscreen-Handys ab. Doch das Touchscreen-Handy wurde immer smarter und bietet heute neben Mails empfangen und schreiben eine Vielzahl von Nutzunsmöglichkeiten. Und RIM schafft es nicht aus seiner QWERTZ-Denke herauszukommen und hält an seinem Betriebssystem fest, statt z.B. komplett auf Android zu setzen. RIM ist “sustaining” und steckt in einem Dilemma. RIM ist RIP.