Brauche ich für mein Start-up eine BaFin-Lizenz?

Brauche ich für mein Business eine Bafin-Lizenz? – Gastbeitrag von Timo Ehmann (siehe linke), Rechtsanwalt in der Kanzlei SFVD-Rechtsanwälte in München. Das Problem einer möglichen Erlaubnispflicht des eigenen Geschäftsmodells ist spätestens seit der […]

Brauche ich für mein Business eine Bafin-Lizenz? – Gastbeitrag von Timo Ehmann (siehe linke), Rechtsanwalt in der Kanzlei SFVD-Rechtsanwälte in München.

Das Problem einer möglichen Erlaubnispflicht des eigenen Geschäftsmodells ist spätestens seit der Lieferheld-Entscheidung des LG Köln vom 29.09.2011 eine Frage, die jeder Gründer im Bereich Online-Marktplätze kennen sollte. Ist das Geschäftsmodell erlaubnispflichtig, so ist das Betreiben ohne Erlaubnis eine Straftat und die Bafin kann den weiteren Betrieb der Geschäfte untersagen. Ob eine Erlaubnispflicht besteht, ist oft nicht leicht zu beantworten. Auch auf Seiten der Bafin ist man über dieses Thema nicht gerade glücklich, da die Aufsicht über unzählige Online-Geschäftsmodelle dort einen enormen Arbeitsanfall mit sich bringt. Entsprechend ist uns bislang kein Fall bekannt, in dem die Bafin von sich aus aktiv geworden ist. Das kann sich allerdings schnell ändern. Die Frage der Erlaubnispflicht wird daher bei Unternehmen vor allem dann auf den Tisch kommen, wenn Investoren oder Käufer eines Unternehmens wissen wollen, ob denn mit dem Geschäftsmodell in rechtlicher Hinsicht alles in Ordnung ist. Dann besteht die Möglichkeit die Erlaubnispflicht von der Bafin überprüfen zu lassen.

Vom KWG zum ZAG

Die Umsetzung der Europäischen Richtlinie über „Zahlungsdienste im Binnenmarkt“ hat im Vergleich zur vorherigen Regelung im deutschen Kreditwesengesetz einige Änderungen mit sich gebracht. Die einschlägige Fallgruppe der „Finanztransfergeschäfte“ (früher noch „Finanzdienstleistung“) wurde vom Kreditwesengesetz (KWG) in das neu geschaffene Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) verschoben. Damit entfiel insbesondere das im KWG vorgesehene Freistellungsverfahren, in dem die Bafin im Einzelfall bestimmen kann, dass ein betriebenes Geschäft der Aufsicht nicht bedarf, obwohl es nach dem Wortlaut der Norm eigentlich aufsichtspflichtig wäre. Der Spielraum für ein Ermessen der Bafin ist entsprechend erheblich kleiner geworden. Hinzu kommt, dass das KWG mit der Erlaubnispflicht vor allem das Ziel verfolgte, Geldwäsche zu verhindern. Dieses Ziel konnte früher im Rahmen des im Freistellungsverfahrens auszuübenden behördlichen Ermessens berücksichtigt werden. Das ZAG dient dagegen vor allem der Vereinheitlichung der Anforderungen an Zahlungsdienstleister im europäischen Binnenmarkt.

Was ist ein Finanztransfergeschäft?

Das Finanztransfergeschäft ist nun in § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG geregelt. Der Wortlaut ist nur sehr schwer verständlich. Er lautet: „Zahlungsdienste sind die Dienste, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontos auf den Namen eines Zahlers oder eines Zahlungsempfängers ein Geldbetrag des Zahlers ausschließlich zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister entgegengenommen wird oder bei dem der Geldbetrag im Namen des Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht wird (Finanztransfergeschäft).“

Als entscheidend erweist sich das Tatbestandsmerkmal „ausschließlich zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger“, das zwar relativ eng formuliert ist, von der Bafin aber wohl aufgrund des Charakters der Norm als Auffangstatbestand relativ weit verstanden wird.

Wer hat ein Problem – wer hat keines?

Kein Problem haben ganz normal Online-Shops bzw. Online-Dienstleister, bei denen es letztlich nur um Rechtsgeschäfte in einem Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Shop und Nutzer/Kunde geht. Problematisch wird es bei typischen Marktplatzsituationen, in denen auf der Webseite Anbieter und Kunde zusammengebracht werden und Teil der Marktplatzdienstleistung die Zahlungsabwicklung zwischen Anbieter und Kunde ist. Für diese Fälle ist unter anderem zu prüfen, ob Zahlungen der Kunden „ausschließlich zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger“ entgegengenommen werden.

Die Bafin selbst lässt sich zur Frage der Anwendbarkeit auf Onlinegeschäftsmodelle in Ihrem Merkblatt vom 22.12.2011 wie folgt ein: „Nicht mehr möglich ist eine Einschränkung des Tatbestands unter dem Gesichtspunkt der (fehlenden) Geldwäschegefahr, wie sie in der Verwaltungspraxis zu dem Tatbestand des Finanztransfergeschäfts in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG a.F. regelmäßig vorgenommen wurde. In Betracht kommen damit neben dem klassischen Geschäft der „money remittance agencies“ vielfältige Tätigkeiten im Bereich des Buchgeldtransfers. Unter das Finanztransfergeschäft können beispielsweise Dienste fallen, bei denen der Dienstleister für Einzelhändler oder Internetshops die anfallenden Lastschriften oder Zahlungen im ELV-Verfahren über eigene Sammelkonten bei Kreditinstituten einzieht und die eingezogenen Gelder an den Händler übermittelt. Tatbestandsmäßig sein können auch sog. „Treuhandservices“, bei denen der Anbieter als Dienstleistung zwischen Käufer und Verkäufer (z.B. in Internethandelsportalen), die Kaufpreiszahlung vorab treuhänderisch auf eigenen Sammelkonten entgegennimmt und den Betrag an den Verkäufer weiterleitet, sobald der Käufer die mangelfreie Übergabe der Ware bestätigt.“

Wer entscheidet über die Auslegung des Gesetzes?

Die Bafin ist eine Behörde und damit Teil der Exekutiven. Als solche ist Sie an Recht und Gesetz gebunden und legt das Gesetz selbst aus. Die Behörde ist dabei unter anderem dazu verpflichtet alle Bürger gleich zu behandeln. Dazu werden teilweise Verwaltungsvorschriften erlassen, die in rechtlicher Hinsicht nur die Mitarbeiter der Behörde binden, faktisch aber dazu führen, dass eine Behörde immer gleich entscheidet. Das bedeutet, dass einem Sachbearbeiter, der auf Verwaltungsvorschriften oder eine ständige Verwaltungspraxis verweist, die Hände gebunden sind – es bringt nichts, ihn zu beknien. Die behördliche Entscheidung ist aber selbstverständlich gerichtlich überprüfbar.

Die Lieferheld-Entscheidung

Typischerweise kommt die Frage nach der Erlaubnispflicht im laufenden Geschäftsbetrieb dann auf den Tisch, wenn potentielle Investoren oder Kaufinteressenten die Frage aufwerfen. Im Fall Lieferheld lag die Konstellation anders. Dort klagte ein Mitbewerber, der den Geschäftsbetrieb ohne entsprechende Erlaubnis als unlauteren Wettbewerb ansah. Das LG Köln hat das durch seine Entscheidung vom 29.11.2009 in erster Instanz bejaht. Im Rahmen der Entscheidung hat das LG Köln sowohl angenommen, dass das betriebene Geschäft erlaubnispflichtig ist, als auch, dass die entsprechende Norm des ZAG sich als sogenannte Marktverhaltensregel darstellt und somit einen Wettbewerbsverstoß begründen kann. Die Entscheidung ist allerdings nicht rechtskräftig, entsprechend gespannt darf man auf das Urteil des Berufungsgerichts sein.

Was ist so schlimm an der Erlaubnispflicht?

Die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens ist mit einem Aufwand verbunden, der geeignet ist, kleine Unternehmen zu überfordern. In der Regel vergehen zudem zwischen erster Antragstellung und Erlaubniserteilung mehr als 12 Monate, so dass sich bei einem jungen Unternehmen während der Verfahrensdauer die Ereignisse überholen können. Die Bafin ist zwar gehalten innerhalb von 3 Monaten über einen Antrag zu entscheiden. Gerade kleinere Unternehmen werden aber kaum in der Lage sein, die hohen Anforderungen der §§ 8 ff. ZAG im ersten Anlauf zu erfüllen.

Was kann man tun?

Keine echte Option ist aus anwaltlicher Perspektive – vor allem angesichts der Strafbarkeit – abzuwarten und zu sehen, was passiert. Empfehlenswert ist es zudem, möglichst Verträge nicht zu vermitteln, sondern mit Anbieter und Kunden jeweils eigene Verträge zu schließen. So kann das Dreipersonenverhältnis aufgelöst und durch zwei Zweipersonenverhältnisse ersetzt werden. Ein solches Geschäftsmodell kann man mit einigen Erfolgsaussichten der Bafin zur Prüfung vorlegen. Gerichtsentscheidungen zur Zulässigkeit gibt es aber noch nicht. Manchmal ist es aufgrund von Besonderheiten des jeweiligen Geschäftsmodells nicht möglich, die Verträge mit zwei Zweipersonenverhältnissen über die Ecke abzuwickeln. Für diesen Fall kann man erwägen, zwar die Verträge zwischen Anbieter und Kunden zu vermitteln, sich aber die Forderungen des Anbieters im Voraus abtreten zu lassen und Sie in der Folge als eigene Forderung einzuziehen. Auch dies führt dazu, dass der Wortlaut der Norm, der von Entgegennahme „ausschließlich zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger“ spricht, nicht erfüllt ist. Diese letztere Konstruktion wird allerdings derzeit von der Bafin wegen entgegenstehender Verwaltungspraxis nicht akzeptiert. Ob diese Rechtsauffassung einer gerichtlichen Überprüfung standhält, ist aber eine andere Frage. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten bestehen im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehen Ausnahmen für Handelsvertreter bzw. Inkassounternehmen. Hier erscheint es nur in Ausnahmefällen möglich, eine Vertragsgestaltung erfolgreich in Richtung dieser Ausnahmen anzupassen.

Dieser Beitrag stellt selbstverständlich nur eine einführende und bei weitem keine Erschöpfende Darstellung der Problematik dar. Rechtsberatungsbedarf besteht jedenfalls für alle Online-Marktplätze, die in die Zahlungsabwicklung zwischen Anbietern und Kunden auf Ihrer Plattform eingeschaltet sind.

Zur Person
Timo Ehmann ist Rechtsanwalt in der Kanzlei SFVD-Rechtsanwälte in München und Gründer von jusmeum (www.jusmeum.de) Ehmann ist spezialisiert auf die Themengebiete Urheber- Medien- und IT-Recht.

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