Abo-Commerce: Was Shopping-Start-ups vom Birchbox lernen können

Unter deutschen Start-ups grassiert zuzeit das Beauty-Fieber. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht, wenn man einmal einige Neugründungen der vergangenen Monate betrachtet. Denn egal ob Boobox (www.boobox.de), Kosmetik.de (www.kosmetik.de) oder das von den Samwer-Brüdern (auch […]
Abo-Commerce: Was Shopping-Start-ups vom Birchbox lernen können
Dienstag, 24. Mai 2011VonStephan Meixner

Unter deutschen Start-ups grassiert zuzeit das Beauty-Fieber. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht, wenn man einmal einige Neugründungen der vergangenen Monate betrachtet. Denn egal ob Boobox (www.boobox.de), Kosmetik.de (www.kosmetik.de) oder das von den Samwer-Brüdern (auch an deutsche-startups.de beteiligt) finanzierte Glossybox (www.glossybox.de): Immer mehr E-Commerce-Start-ups entdecken das Geschäft mit Kosmetik. Genau genommen mit Kosmetik im Abonnement. Frei nach dem US-amerikanischen Vorbild Birchbox (www.birchbox.com), dessen Service immer mehr Start-Ups als Blaupause dient. Das Birchbox-Konzept: Kunden bekommen für zehn US-Dollar fünf Beauty-Pröbchen – hübsch verpackt in einer schmucken Designerschatulle. Ein Angebot, das natürlich in erster Linie Frauen begeistern kann.

Das Spannende aus der E-Commerce-Perspektive ist aber weniger das Sortiment, sondern vielmehr das Geschäftsmodell. Schließlich erhalten Kunden von Birchbox & Co. immer wieder Beauty-Boxen. Monat für Monat, quasi auf Lebenszeit. Werden die monatlichen Kosmetik-Päckchen doch nur dann nicht mehr geliefert, wenn Kunden den Bezug auch explizit kündigen. Und bis das einmal der Fall ist, spült so ein Abo-Modell massig Umsatz in die Kasse. In der Theorie.

Nutzer wünschen Spannung statt Service

Tatsächlich sind Abo-Modelle für Händler auf dem Papier ausgesprochen lukrativ. Garantieren Business-Modelle wie Birchbox doch immer wieder Folge-Umsätze, ohne dass ein Kunde nach dem ersten Einkauf überhaupt noch einmal den Shop eines Anbieters aufsuchen muss. Das schafft nicht nur wertvolle Stammkunden, sondern senkt gleichzeitig auch die Marketing-Kosten für die Shopbetreiber. Schließlich muss man weniger Geld in die teure Neukundenakquise pumpen, wenn der Umsatz größtenteils über immer wiederkehrende Stammkunden erwirtschaftet wird. Leider aber zeigt sich in der Praxis schnell, dass viele Abo-Modelle im E-Commerce doch nicht so gut laufen wie erwartet. Was in den meisten Fällen daran liegt, dass Shops das falsche Abo-Angebot schnüren.

Die Erfahrung lehrt: Immer wieder bieten Online-Händler ihren Kunden beispielsweise dieselben Socken oder Shirts im Abo an. Auf diese Weise wollen Shopbetreiber ihrer – überwiegend männlichen Klientel – den Online-Einkauf von eher uninteressanten Alltagswaren erleichtern und die zeitraubende Online-Suche nach passenden Klamotten ersparen. Auf diesem Service-Gedanken basiert etwa das Shop-Konzept von Mansbox (www.mansbox.de), hinter dem die Jenaer Preisbock GmbH steckt. „Männer haben einfach Wichtigeres zu tun, als Zeit mit dem Einkauf von Unterwäsche zu verbringen”, argumentiert Shop-Gründer Christian Grötsch auf seiner Website. „Wir haben MansBox entwickelt, damit Männer wieder Zeit für das Wesentliche haben.“

Mansbox

Bei Mansbox – das mit Manpacks.com (www.manpacks.com) ebenfalls ein US-Vorbild hat – bekommen Kunden daher im Abo immer wieder Unterwäsche-Sets mit Socken, Shirts und Boxershorts zugestellt, für die sie sich einmal im Shop entscheiden müssen. Im Gegensatz zu Birchbox & Co. werden die Packages nicht jeden Monat ausgeliefert, sondern auf Wunsch auch nur alle drei oder neun Monate. Dennoch dürften es Online-Händler mit solchen Abo-Angeboten deutlich schwerer haben als Birchbox und die übrigen Beauty-Klone, um loyale Stammkunden für ihre Dauerlieferservices zu begeistern.

Abo-Dienste wie Mansbox jedenfalls versuchen letztlich, einen konkreten Bedarf ihrer Kundschaft zu stillen. Die Crux an solchen Modellen aber ist, dass sich der tatsächliche Bedarf an Socken oder T-Shirts nicht im Voraus planen lässt. So können die Vorräte schnell knapp werden, wenn etwa die Waschmaschine plötzlich Socken frisst. Wer seine Unterwäsche dagegen pfleglich behandelt, kann nach einigen Lieferungen seine Schubladen vor lauter Socken nicht mehr schließen. Dazu kommt, dass selbst die größten Mode-Muffel nicht über Monate dieselben Shirts und Boxer-Shorts tragen möchten. Alles Punkte also, denen ein Abo-Modell mit fixem Sortiment nicht gerecht werden kann.

Viel Abo-Potenzial für E-Food-Dienste

Zum Vergleich: Bei Birchbox & Co. gibt es im Gegensatz zu Mansbox kein starres Sortiment. Geht es doch nicht darum, Kunden immer wieder dasselbe Set mit Schminke, Lippenstift und Shampoo bequem nach Hause zu liefern. Denn im Kern dreht sich das Abo-Modell der Beauty-Versender um Aspekte wie Spiel, Spaß und Spannung. Schaffen die Dienste es doch, ihre Abonnenten immer wieder mit neuen Produkten zu überraschen. In gewisser Weise also ähnlich wie eine Tageszeitung oder eine Zeitschrift, die ihren Abonnenten ebenfalls jeden Monat neuen Content liefert. Das Abo-Geschäft dürfte daher auch fernab von Eyeliner und Lippenstift funktionieren. Vorausgesetzt, dass Online-Händler ihrer Zielgruppe namhafte Marken und exquisite Probepäckchen bieten können.

Es kommt jedenfalls nicht von ungefähr, dass US-Vorreiter Birchbox bereits das Abo-Geschäft mit anderen Sortimenten plant. „Den Namen Birchbox haben wir bewusst so produktneutral gehalten“, verrät Birchbox-Gründerin Katia Beauchamp im Gespräch mit dem Online-Portal NextWeb.com. „Denn uns war von Anfang an klar, dass wir über Birchbox nicht nur Kosmetik-Artikel verkaufen werden.“ Geplant sei daher für die Zukunft beispielsweise, dass die Probe-Boxen von Birchbox künftig unter anderem auch Lebensmittel wie Tee oder Schokolade enthalten können. Ein Angebot, das ebenfalls funktionieren dürfte. Schließlich ändert sich am Grundprinzip der Dauerbestellungen ja nichts, so dass Abonnenten weiter Monat für Monat mit neuen Inhalten überrascht werden.

Glossybox

Weiterer Vorteil so einer automatisierten Bedarfsweckung: Das Abo-Geschäft kannibalisiert keine klassischen Shop-Umsätze, sondern beflügelt sie. Viele Shopbetreiber mit einem breiten Sortiment verzichten nämlich gerne auf zusätzliche Abo-Angebote. Zu groß ist die Furcht, dass Dauerkäufer von Kaffee oder Klopapier nach Abschluss ihres Abos gar nie mehr den klassischen Shop besuchen. Schließlich kommt das gewünschte Produkte ja auch so nach Hause. Auf diese Weise wird es aber für Online-Händler schwer, ihren Kunden zusätzliche Produkte über Cross-Selling zu verkaufen.

Ganz anders verhält es sich dagegen, wenn Shopbetreiber lediglich Pröbchen im Abo versenden. Werden Nutzer auf diese Weise doch erst auf den Geschmack gebracht. Kein Wunder also, dass Birchbox & Co. in der Regel einen zusätzlichen Shop unterhalten, in denen Abo-Kunden ihre neuen Lieblingsprodukte in normalen Packungsgrößen erwerben können. Potenzial verschenken Birchbox & Co. allerdings noch an anderer Stelle. Denn streng genommen bieten alle Anbieter momentan keine Shop-Abos an, sondern so genannte Soft-Subscription-Modelle. Der Unterschied: Während Abos traditionell nur mit einer Mindestvertragslaufzeit erhältlich sind und Nutzer meist im Voraus bezahlen müssen, lassen sich Soft-Subscription-Modelle jederzeit kündigen. Bezahlen muss man in solchen Fällen zudem nur, wenn eine Lieferung erfolgt. Richtig attraktiv werden Abo-Dienste aber erst, wenn Händler im Voraus mit Umsatz planen und dem Geld ihrer Kunden wirtschaften können.

Start-ups müssen Abo-Angst bekämpfen

Dennoch verzichten Händler bewusst auf klassische Abo-Angebote. „Kunden haben traditionell eine Grundangst davor, online irgendeine Art von Abo abzuschließen”, erklärt Samy Liechti vom Schweizer Socken-Versender Blacksocks.com im Interview mit dem Branchenportal iBusiness.de. „Viele treibt die Sorge, dass sie in eine Abo-Falle tappen und nicht mehr aus einem Abo kommen.“

Ein Ausweg könnte aber sein, dass Kunden eine Überraschungsbox zunächst ohne Mindestlaufzeit ordern können. Wer dann weiter Spaß und Spannung in einer schmucken Designer-Schatulle nach Hause geliefert bekommen will, muss für Folgelieferungen mindestens ein Jahresabo abschließen. Zwar werden viele Konsumenten die Soft-Subscription-Modelle ohne Laufzeit auch in Zukunft bevorzugen. Da jede Box aber aufs Neue überrascht, dürfte bei vielen die Neugier überwiegen und Nutzer – zähneknirschend – auch längere Laufzeiten in Kauf nehmen. Was den Trend zu Abo-Modellen im E-Commerce weiter befeuern wird. Selbst wenn das Beauty-Fieber wieder abklingt.

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