Fünfzehn Fragen an Gereon Frahling von Linguee.de

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein? Am wichtigsten ist, dass in einer Firma bei Entscheidungen wirklich logisch abgewägt wird und alle Meinungen ernst genommen werden. Als Chef kann ich selbst […]

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Am wichtigsten ist, dass in einer Firma bei Entscheidungen wirklich logisch abgewägt wird und alle Meinungen ernst genommen werden. Als Chef kann ich selbst versuchen, eine solche Atmosphäre zu schaffen.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Die Idee ist lange gereift. Schon jahrelang nervten mich Online-Wörterbücher, weil ich beim Formulieren englischer Texte nichts über die Verwendung der englischen Wörter erfahren konnte. Dies ist mir dann natürlich besonders stark aufgefallen, als ich in der Anfangszeit bei Google in New York bei vielen Formulierungen völlig unsicher war. So reifte dann langsam die Idee, eine Suchmaschine für Übersetzungen zu entwickeln. Das Gute daran war, dass ich schon vorher viele Jahre im Bereich der statistischen Auswertungen sehr großer Datenmengen und des Machine-Learnings geforscht hatte. Ohne diese Erfahrungen hätten wir Linguee wohl nicht entwickeln können, was uns nun gegen Nachahmer schützt und die Möglichkeit gibt, auch international als Erster eine gute Übersetzungssuche anzubieten.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Wir haben bis zum Start von Linguee alles komplett selbst finanziert. Meiner Meinung nach braucht kein Internet-Startup mehr als ein paar wirklich gute Programmierer, die ein sehr gutes Produkt bauen, am Startup beteiligt sind und somit hochmotiviert arbeiten. Den Rest (Marketing, PR) kann man zum Launch relativ einfach ausbauen. Wer anfängt mit monatelanger Investorensuche statt mit Produktentwicklung, hat meiner Meinung nach ab der 1. Minute schon falsche Prioritäten.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Alle haben uns vor unerwarteten Stolpersteinen gewarnt. Aber es kamen keine. Vermutlich daher, weil wir immer geplant hatten, unseren Lebensstandard extrem herunterzufahren, ohne externe Finanzierung zu launchen und somit alle Entscheidungen selbst bestimmen zu können. Dann haben wir bis zum Launch erst einmal 1.5 Jahre ein wirklich gutes Produkt gebaut, was jetzt auch dementsprechend angenommen wird.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Eventuell würden wir etwas früher launchen. Aber ansonsten – nichts.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Im Internet wird man bekannt durch das gute Produkt und glückliche Nutzer. Wir waren beispielsweise schon nach ein paar Tagen beim weltweiten delicious.com auf der Homepage unter den 4 am häufigsten gebookmarkten Seiten, und das als deutsche Seite. Dies brachte dann wieder unglaublich viele neue Nutzer. Diese empfehlen Linguee auf ihrer Homepage, das wiederum gibt PageRank bei Google. Unzählige Seiten empfehlen uns inzwischen im Internet, ohne dass wir dies aktiv durch PR beeinflusst hätten. Innerhalb von ein paar Monaten hatten wir dadurch schon 5 Millionen Seitenzugriffe pro Monat. Mein Tipp: Das Produkt muss einfach einen großen Mehrwert bieten, dann wird man schnell bekannt.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Niemand im besonderen. Mit dem Launch sind vier Business Angels eingestiegen, von denen wir nun viel Unterstützung bekommen, ebenso wie von der danach eingestiegenen Brains2Ventures AG.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Wer im Internet ein richtig gutes Produkt erzeugt, gewinnt. Darauf kommt es an. Der Rest kommt von selbst.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Klarer Einsatz gegen Softwarepatente. Schliesslich sind 98 % der Software-Patentanmeldungen in den USA völlig trivial. Ansonsten mehr Motivation für Gründer – eher durch die Medien als durch Subventionen. Ich war zum Beispiel erstaunt, als von 20 Nominierten zum deutschen Dissertationspreis in Informatik nur einer eine eigene Firma gründen wollte. Dabei ist heutzutage als Gründer der eigene Job fast sicherer als in einer großen Firma, da man selbst beeinflussen kann, wie es um die Firma steht.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Weiter in der Forschungsabteilung von Google in Manhatten arbeiten. Ein Traumjob, wie er im Buche steht, von der Stadt ganz zu schweigen. Ich hatte als Postdoc sogar recht große Freiheiten, woran ich forschen möchte. Seit Jahren wollte ich jedoch wieder die Start-up-Athmosphäre und etwas selbst aufbauen, daher musste ich wieder ins kalte Wasser springen.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Ich würde gerne mal ein paar Customer-Support-Gespräche bei spickmich.de belauschen. Dies wäre bestimmt interessant.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Ich steige in den Delorean, fahre um die Ecke, nehme den Flux-Kompensator auseinander, um herauszufinden, wie er funktioniert. Zeitreise adé, aber die Erkenntnis meines Lebens gewonnen.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
In Linguee investieren, noch schneller internationalisieren.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Im Moment meist am Rechner, da das Wochenende die einzigen Tage sind, um ungestört einen klaren Gedanken zu fassen. Wobei ich unglaublich froh bin, dass meine Freundin mich auch manchmal losgeeist bekommt, sonst würde ich irgendwann wahrscheinlich völlig durchdrehen.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Lukas Podolski. Er ist bodenständig, lustig und hat viel aufgegeben, um nach Köln zurückzukehren. Das ist mir sympathisch.

Zur Person
Gereon Frahling studierte Mathematik an der Universität Köln und promovierte 2006 in Informatik an der Universität Paderborn. Seine Dissertation über die statistische Verarbeitung sehr großer Datenmengen erhielt den Dissertationspreis der Fakultät und wurde nominiert zum Dissertationspreis der Gesellschaft für Informatik. Danach forschte er über ein Jahr in der Forschungsabteilung von Google in New York an Clustering- und Machine-Learning-Algorithmen. Im November 2007 kehrte Frahling nach Deutschland zurück und begann zusammen mit Leonard Fink die Entwicklung von Linguee.de (www.linguee.de), einer Suchmaschine für Übersetzungen, welche im April 2009 online ging.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.